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Altlastensanierung und Flächenrecycling

Flächensanierung

Nordrhein-Westfalen weist durch seine lange Industrie und Bergbaugeschichte eine große Zahl an Altlasten und altlastverdächtigen Flächen auf. Einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der Neuinanspruchnahme von Freiflächen leistet die Reaktivierung von Industrie-, Verkehrs- und Militärbrachen – das sogenannte "Flächenrecycling". Für eine neue Nutzung ist in vielen Fällen die Aufbereitung und Sanierung altlastverdächtiger Flächen erforderlich.


Ressourcenschutz durch Reaktivierung

Der Wandel der Wirtschaftsstruktur macht die Aufbereitung von zahlreichen altlastverdächtigen Zechen-, Industrie- und Verkehrsbrachen für eine neue Nutzung erforderlich. Spezifische Altlastenprobleme stellen sich auch bei militärischen Liegenschaften, die in letzter Zeit in erheblichem Umfang für eine anderweitige Nutzung freigegeben wurden.

Nordrhein-Westfalen hat zu Altlastenfragen eine Vielzahl von Maßnahmen und Initiativen zu einem umfassenden Konzept verknüpft. Das Hauptgewicht des Landeskonzepts liegt bei der Unterstützung der Kreise, kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden. Diese haben zum einen den überwiegenden Teil des Vollzugs bei der Abwehr von Gefahren wahrzunehmen, die von Altlasten ausgehen. Zum anderen sind Bauleitplanung und die Zulassung baulicher Vorhaben kommunale Aufgaben, die, besonders bei der Flächenreaktivierung, untrennbar mit Altlastenfragen verbunden sind. Das Land bietet den Kommunen deshalb gezielte, auf die jeweilige Problemstellung zugeschnittene Hilfen durch rechtliche Instrumente, finanzielle Förderung und fachliche Unterstützung.

Das NRW-Umweltministerium hat ein Förderprogramm für Kommunen zur Erfassung, Gefährdungsabschätzung und Sanierung von Altlasten eingerichtet. Daneben unterstützt der "Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung" (AAV) die Kommunen durch die Beteiligung an der Finanzierung von Sanierungsuntersuchungen und -maßnahmen sowie durch die Beratung in Einzelfällen.

Freiwerdende Industrieflächen werden durch Bodensanierung zur wertvollen Ressource

Freiwerdende Industrieflächen werden durch Bodensanierung zur wertvollen Ressource

Stand der Altlastensanierung in NRW

Der Stand der Altlastenbearbeitung in Nordrhein-Westfalen wird durch das Landesumweltamt regelmäßig ermittelt und veröffentlicht. Er basiert auf Angaben der Kreise und kreisfreien Städte als zuständige untere Bodenschutzbehörden.

Altablagerungen waren bereits bis Mitte der 1990er Jahre zum überwiegenden Teil erfasst. Zuwächse ergaben sich in den Folgejahren hauptsächlich durch flächendeckende Nacherhebungen von Altstandorten. In städtischen Bereichen ist der Anteil altlastverdächtiger Flächen und Altlasten besonders hoch. So liegt der Flächenanteil der altlastverdächtigen Flächen und Altlasten beispielsweise in einer großen Stadt im Ruhrgebiet bei rund 15 % des Stadtgebietes. In den städtischen Bereichen des Ruhrgebiets handelt es sich besonders um ehemalige Flächen der Montanindustrie. Daneben existieren landesweit zahlreiche Altstandorte der Branchen "Fahrzeugbau, Reparatur, Tankstellen", "Metallerzeugung und -bearbeitung" sowie "Chemie und Mineralöl".


Die Erfassung von Altlasten

Die Erfassung ist der erste, grundlegende Arbeitsschritt zur Feststellung, ob und an welcher Stelle ggf. Altlasten vorliegen. Für die Erhebungen der Altlast-Verdachtsflächen und das Führen der Kataster sind nach dem Landesbodenschutzgesetz NW die Kreisordnungsbehörden (KrOB), für Verdachtsflächen des Bergbaus die Bezirksregierung Arnsberg zuständig.

Die behördliche Erfassung beinhaltet die Durchführung umfassender, nach einheitlichen Gesichtspunkten vorgenommener, flächendeckender und standortbezogener Erhebungen über Altlast-Verdachtsflächen sowie die Darstellung der Verdachtsflächen in Karten sowie das Führen und Fortschreiben von Katastern und Dateien über die Verdachtsflächen.

Inhalt und Ziel der Erhebung ist die Einstufung bestimmter Fallgruppen von Altablagerungen und Altstandorten oder einzelner Fälle als Altlast-Verdachtsflächen, die Ermittlung von Lage und räumlicher Ausdehnung der Verdachtsflächen (nach Unterlagen und Ortsbesichtigung) sowie die Sammlung und Aufbereitung aller weiteren, altlastenrelevanten Informationen zu den einzelnen Flächen.

Informationsquellen

Wichtige Informationsquellen für diese Erhebungen sind:

  • topographische Karten,
  • thematische Karten, beispielsweise aus den Bereichen Geologie/Hydrogeologie, Wasserwirtschaft, Boden,
  • Luftbilder (Die Landesumweltverwaltung verfügt über rund 300.000 Luftbilder aus den Aufklärungsflügen vor allem der britischen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg, die die Erfassungsbehörden in digitalisierter Form beziehen können und die für die Erfassung von Altlasten, insbesondere von Kriegsschäden eine wichtige Informationsquelle sind),
  • Unterlagen der öffentlichen Verwaltung, zum Beispiel Genehmigungsunterlagen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Überwachungsunterlagen, Einzelfallakten),
  • Unterlagen der gewerblichen Wirtschaft, zum Beispiel Wirtschaftsarchive, Firmenarchive, Branchenverzeichnisse der Industrie- und Handelskammern und
  • Zeitzeugen.

Die Erhebungen beinhalten in der Regel keine über eine eventuelle Standortbesichtigung hinausgehenden örtlichen Untersuchungen. Bohrungen, Sondierungen, chemisch-physikalische Untersuchungen sind beispielsweise grundsätzlich den nachfolgenden Arbeitsschritten der Gefährdungsabschätzung und Sanierungsuntersuchung vorbehalten.

Datenerfassung beim Landesamt

Nach den Bestimmungen des Landesbodenschutzgesetzes sind die für die Altlastenbearbeitung zuständigen Behörden gehalten, bestimmte Informationen zu Altlasten und Altlastverdachtsflächen dem Land zu übermitteln. Diese Erkenntnisse werden in einem landesweiten Fachinformationssystem Altlasten und schädliche Bodenveränderungen (FIS AlBo) geführt.

Das Fachinformationssystem dient insbesondere

  • als Informationsgrundlage für die unteren Bodenschutzbehörden und in § 10 LBodSchG aufgeführte Behörden,
  • als Datengrundlage für statistische Auswertungen, insbesondere zur Ermittlung des Standes der Arbeiten,
  • dem Informationsaustausch und Erkenntnisgewinn für den Vollzug (zum Beispiel mit Angaben der eingesetzten Sanierungsverfahren),
  • als Informationsgrundlage für die Bauleitplanung und das Brachflächenrecycling,
  • als Grundlage für die Information der Öffentlichkeit und betroffener Bürger und
  • als Grundlage für die nationale und EU-Berichterstattung.

Wichtig ist eine Berücksichtigung von Altlasten im Zusammenhang mit der Änderung von Flächennutzungen. Daher wurde im Jahre 2005 ein gemeinsamer Erlass mit dem für Bauleitplanung und dem für Baugenehmigung zuständigen Ministerium zur „Berücksichtigung von Flächen mit Bodenbelastungen, insbesondere Altlasten, bei der Bauleitplanung und im Baugenehmigungsverfahren" herausgegeben. 


Gefährdungsabschätzung

"Gefährdungsabschätzung" ist der zusammenfassende Begriff für die Gesamtheit der Untersuchungen und Beurteilungen, die notwendig sind, um die Gefahrenlage bei einer einzelnen altlastverdächtigen Fläche abschließend zu klären. Als Arbeitsschritte bei der Gefährdungsabschätzung lassen sich eine erste Beurteilung der Sachlage auf der Datenbasis der Erfassung (Erstbewertung) sowie gestufte örtliche Untersuchungen und darauf basierende Beurteilungen (Orientierungsphase, Detailphase) unterscheiden.

Erstbewertung

Die Erstbewertung beinhaltet die Auswertung aller im Rahmen der Erfassung erhobenen standort- und raumbezogenen Informationen, die darauf basierende fachliche Beurteilung mit dem Ziel einer ersten Risikoeinschätzung und die rechtliche Bewertung durch die zuständige Behörde. Die Erstbewertung schließt im Wesentlichen mit der Entscheidung der zuständigen Behörden darüber ab,

  • ob Schadstoffe in relevantem Umfang vermutlich oder tatsächlich vorliegen,
  • ob Sofortmaßnahmen erforderlich sind,
  • auf welchen Wegen die Schadstoffe zu einem rechtlich relevanten Risiko für Schutzgüter werden können (maßgebende Wirkungspfade) und
  • ob weitere Untersuchungen erforderlich sind.
Orientierungsphase

In der Orientierungsphase innerhalb einer Gefährdungsabschätzung soll untersucht und festgestellt werden, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dem Grunde nach besteht oder ob der aus der Erstbewertung hergeleitete Gefahrenverdacht als ausgeräumt gelten kann. Im Rahmen der Untersuchung und Bewertung sind insbesondere Art und Konzentration der Schadstoffe, die Möglichkeit ihrer Ausbreitung in die Umwelt und ihrer Aufnahme durch Menschen, Tiere oder Pflanzen sowie die Nutzung des Grundstückes zu berücksichtigen. Ist der Gefahrenverdacht ausgeräumt, kann die zuständige Behörde auf weitere Untersuchungen verzichten. Ist hingegen das Bestehen einer Gefahr dem Grunde nach zu bejahen, kann die Behörde in der Regel die weiteren Maßnahmen zur Ermittlung des Gefahrenumfanges dem Ordnungspflichtigen auferlegen.

Detailphase

Die Detailphase dient der abschließenden Ermittlung und Feststellung des Sachverhaltes. Die auf diesen Untersuchungen beruhende Sachverhaltsermittlung und Risikoabschätzung ist der erste Schritt der abschließenden Gefahrenbeurteilung und zugleich Voraussetzung für die rechtliche Beurteilung durch die zuständige Behörde zum Abschluss der Gefährdungsabschätzung. Diese Aufeinanderfolge von Arbeitsschritten bei einer Gefährdungsabschätzung ist besonders zweckmäßig, weil dadurch personelle, sächliche und finanzielle Mittel auf der Basis sich verdichtender Erkenntnisse und Zwischenbeurteilungen zielgerichtet und mit größtem Nutzen eingesetzt werden können. Ein fachlicher und rechtlicher Beurteilungsschritt im Rahmen der Erstbewertung und nach orientierenden Untersuchungen ist auch deshalb erforderlich, um entscheiden zu können, ob zusätzlich gewonnene Erkenntnisse Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr gebieten.

Im Rahmen der Gefährdungsabschätzung und der nachfolgenden Arbeitsschritte sind auch eventuelle natürliche Schadstoffminderungsprozesse ("Natural Attenuation") zu berücksichtigen. Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) hat hierzu länderübergreifende Positionspapiere erarbeitet, welche

  • eine Definition der Begriffe  NA, MNA und ENA,
  • eine Betrachtung der rechtlichen Fragen in Verbindung  mit einer Einstufung in die Altlastenbearbeitung,
  • Voraussetzungen für ein MNA-Konzept und

eine Empfehlung zum Vorgehen für die Praxis enthalten.

Flächensanierung

Maßnahmen zur Abwehr und Beherrschung von gefährlichen Umweltauswirkungen aus Altlasten können eingeteilt werden in:

  • Sanierungsmaßnahmen,
  • Maßnahmen zur Dekontamination,
  • Sicherungsmaßnahmen und
  • sonstige Maßnahmen (zum Beispiel Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen)

Dekontaminationsverfahren sind nach dem Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) Verfahren zur Beseitigung oder Verminderung der Schadstoffe. Es handelt sich um technische Verfahren zur Beseitigung, Umwandlung oder Verringerung von umweltgefährdenden Stoffen in den Umweltmedien Boden, Wasser und Bodenluft. Diese Verfahren lassen sich nach dem Ort ihres Einsatzes unterscheiden; man spricht von in-situ-, on-site- und off-site-Verfahren. Auskofferung zählt im Sinne des BBodSchG auch zur Dekontamination.

Bei den in-situ-Verfahren werden die im Boden befindlichen Schadstoffe behandelt, ohne die Bodenmassen zu bewegen. Bei den on-site-Verfahren wird der kontaminierte Boden aufgenommen, an Ort und Stelle mit geeigneten technischen Verfahren behandelt und anschließend wieder eingebaut. Diese Art der Sanierung erfolgt in mobilen Anlagen. Bei der off-site-Behandlung werden verunreinigte Böden in zentralen, vom Anfallort entfernten, stationären Anlagen behandelt, die für die Behandlung von verunreinigten Böden unterschiedlichen Ursprungs (Altlasten, sonstige Bodenverunreinigungen) bestimmt sind.

Sicherungsverfahren sollen eine Ausbreitung von Schadstoffen aus der betreffenden Altlast (Emission) zum Schutzgut (Immission) verhindern.

Sanierungsuntersuchung

Wenn die abschließende Gefahrenbeurteilung im Rahmen der Gefährdungsabschätzung ergeben hat, dass Sanierungsmaßnahmen notwendig sind, kann die Durchführung einer Sanierungsuntersuchung erforderlich werden.

Ziel der Sanierungsuntersuchung ist die einzelfallbezogene Ermittlung eines technisch geeigneten, rechtlich zulässigen und verhältnismäßigen Konzeptvorschlages für wirksame Maßnahmen zur Abwehr der von der einzelnen Altlast ausgehenden Gefahren.

Die Sanierungsuntersuchung umfasst nachfolgende Aufgaben:

  • Grundlagenermittlung,
  • ergänzende Standortuntersuchungen,
  • Machbarkeitsstudie,
  • Erarbeitung von Vorschlägen für Sanierungsziele,
  • Festlegung von Sanierungszonen,
  • Auswahl geeigneter Sanierungstechniken/-verfahren,
  • Erarbeitung von Sanierungsszenarien,
  • fachliche Bewertung der Sanierungsszenarien,
  • Kostenschätzung,
  • Nutzen-Kosten-Untersuchung,
  • Sanierungsvorschlag,
  • Entscheidung der zuständigen Behörde über das Sanierungsziel und die durchzuführenden Maßnahmen und
  • Ausarbeitung des Planungskonzeptes (Maßnahmenkonzeptes).

Sanierungsplan

Der Sanierungsplan ist eine prüffähige Darstellung der Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet sind, dauerhaft Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit zu vermeiden.

Im Sanierungsplan sind darzustellen:

  • die Ausgangslage,
  • die durchzuführenden Maßnahmen, Nachweis ihrer Eignung und Auswirkungen auf die Umwelt,
  • die Eigenkontrollmaßnahmen zur Überprüfung der sachgerechten Ausführung und Wirksamkeit der vorgesehenen Maßnahmen,
  • die Eigenkontrollmaßnahmen im Rahmen der Nachsorge einschließlich der Überwachung,
  • ein Zeitplan und die voraussichtlichen Kosten und
  • die erforderlichen Zulassungen.

Nach § 13 BBodSchG kann die zuständige Behörde bei komplexen Altlasten vom Verpflichteten die Vorlage eines Sanierungsplanes verlangen. Die zuständige Behörde kann den Sanierungsplan für verbindlich erklären. Ein für verbindlich erklärter Sanierungsplan hat Konzentrationswirkung, d.h., er schließt andere behördliche Entscheidungen mit ein, soweit sie im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde ergangen sind.

Weitere Informationen:

Flächenrecycling

Für eine nachhaltige Flächenentwicklung muss die Erhaltung der Ressource Boden stärkere Berücksichtigung finden. Neben der generellen Reduzierung der Flächeninanspruchnahme gehören dazu auch qualitative Aspekte wie die Wiedernutzung industrieller Brachflächen und die Schonung besonders wertvoller und schutzwürdiger Böden. Auch die stärkere Nutzung von Entsiegelungspotenzialen und deren entsprechende Berücksichtigung in der Eingriffsregelung gehören dazu.

Einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der Neuinanspruchnahme von Freiflächen leistet die Reaktivierung von Industrie-, Verkehrs- und Militärbrachen - das sogenannte "Flächenrecycling". Dies setzt in der Regel voraus, dass die aufbereiteten Flächen vermarktet und die angestrebten Nutzungen realisiert werden können. Viele durch den wirtschaftlichen Strukturwandel brach gefallene Industrie-, Gewerbe- und Verkehrsflächen können gleichwohl in einzelwirtschaftlicher Betrachtung nicht rentierlich aufbereitet werden.

Das Flächenrecycling ist daher ein Schwerpunkt des "Verbands für Flächenrecycling und Altlastensanierung" (AAV). Er berät hierzu seine Mitglieder, kann Kommunen finanziell unterstützen und hat einen Altlastenrisikofonds zur Absicherung von Restrisiken sanierter Altlasten eingerichtet. Beispielhafte Projekte werden durch den Bodenschutzpreis ausgezeichnet. Um für die Flächenreaktivierung weiterhin öffentliche Mittel einsetzen zu können wird außerdem beständig darauf hingewirkt, dass die Altlastensanierung als Förderzweck in weiteren flächenbezogenen Förderprogrammen verankert bleibt oder wird.