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20.01.2022

Umweltministerin stellt Arbeitsplan "Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels" vor

Ministerin Heinen-Esser: Wir müssen Hochwasserschutz teils in neuen Dimensionen denken. Dabei gibt es nicht die eine pauschale Masterlösung

Sechs Monate nach der verheerenden Hochwasser-Katastrophe laufen parallel zum Wiederaufbau die Analyse und Aufarbeitung der Ereignisse und die Umsetzung notwendiger Schritte zu verbesserter Vorsorge und Schutz. In Düsseldorf hat Umweltministerin Ursula Heinen-Esser heute einen Arbeitsplan "Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels" vorgestellt. Er umfasst insgesamt zehn Handlungsfelder für den Hochwasserschutz und das Management von Starkregenereignissen. Der Arbeitsplan definiert die Aufgaben und Herausforderungen, um die Menschen in Nordrhein-Westfalen so gut wie möglich vor Hochwasser- und Starkregenereignissen zu schützen.

Die Juli-Katastrophe hat vor Augen geführt, wie zerstörerisch die Folgen des Klimawandels auch in Nordrhein-Westfalen sein können. "Nach dieser schrecklichen Erfahrung müssen wir die Hochwasservorsorge und den Hochwasserschutz auf ein neues Niveau heben. Wir müssen das Wassermanagement in vielen Aspekten neu denken und die teils drastischen Auswirkungen des Klimawandels stärker einbeziehen. Dabei gibt es nicht die eine pauschale Masterlösung, dafür sind die Bedingungen vor Ort zu unterschiedlich", sagte Ministerin Heinen-Esser bei der Vorstellung des 10-Punkte-Plans. Auf dessen Erarbeitung hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst in seiner Regierungserklärung am 3. November 2021 hingewiesen.

Der Arbeitsplan fokussiert auf zentrale Themenfelder für eine Anpassung an den Klimawandel und fußt auf den bis heute vorliegenden Informationen, Gesprächen und Analysen. "Es liegt viel Arbeit vor uns, denn wir müssen alles tun, um künftige Katastrophen zu verhindern", sagte Heinen-Esser. Ein zentraler Punkt sei die Einführung und stetige Verbesserung von Hochwasservorhersagesystemen. "Wir benötigen verlässliche Prognosen und Tools, um so früh und genau wie möglich vorhersagen zu können, wann und wo Hochwasser droht. Was am Rhein bereits funktioniert, muss auch an kleineren Flüssen Standard werden. Jede gewonnene Minute kann helfen, Leben zu retten."

Konkret umfasst der Arbeitsplan folgende Punkte:

  1. Einführung von Hochwasservorhersagesystemen für so viele Gewässer wie möglich 
  2. Vereinheitlichung des Hochwasserinformationsdiensts durch eine Landesverordnung
  3. Fortschreibung der Hochwasserrisikomanagementplanung unter Einbeziehung auch der kleineren Gewässer
  4. Verbesserung des Hochwasserschutzes vor Ort
  5. Überprüfung der festgesetzten Überschwemmungsgebiete und Prüfung eines "Klimazuschlags"
  6. Überprüfung und Weiterentwicklung des Talsperren-Managements und der Sicherheit von Talsperren
  7. Stärkung der Resilienz von Kommunen bei lokalen Starkregenereignissen und Hochwasser
  8. Verbesserung der Zusammenarbeit von Raumplanung, Stadtentwicklung und Wasserwirtschaft beim Thema Hochwasserschutz
  9. Stärkung der Selbsthilfefähigkeit und des Risikobewusstseins
  10. Einrichtung eines Hochwasserschutzbeirats

Experten-Beirat soll Umsetzung begleiten
Zur Begleitung der Umsetzung des Arbeitsplans wird das Umweltministerium einen Experten-Beirat einberufen, der den weiteren Prozess fachlich betreuen und beraten soll. Er wird unter anderem aus Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Wetterdienstes, der Wasserverbände aus Nordrhein-Westfalen, der Kommunalen Spitzenverbände, der Deichverbände, der wasserwirtschaftlichen Verbände, der Naturschutzverbände: der Landtagsfraktionen und sachkundigen Einzelpersonen bestehen. Erforderlich zur Umsetzung des Arbeitsplans ist eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung.

Verlässliche Prognosen auch für kleinere Flüsse
Um Hochwasservorhersagesysteme auch an kleineren Flüssen zu etablieren, arbeitet der Deutsche Wetterdienst an einer Präzisierung der Wettervorhersagemodelle. Beim Landesumweltamt ist bereits ein Tool im Testbetrieb, das verbesserte Prognosen an Flüssen ermöglichen soll. Auf dieser Grundlage wird im April/Mai dieses Jahres eine modellbasierte Hochwasservorhersage im Testbetrieb für die Hochwassermeldepegel der Gewässer Rur, Ruhr, Sieg, Erft, Lippe, Ems, Werre, Nethe und Emmer sowie Issel, Dinkel und Berkel eingeführt.

Hochwasserschutzkonzepte von der Quelle bis zur Mündung
Das passende Hochwasserschutzkonzept ist stark abhängig von örtlichen Rahmenbedingungen und dem jeweiligen Gewässersystem. Vom Land geförderte Hochwasserschutzkonzepte ermöglichen ein konzeptionelles, individuell angepasstes Herangehen. Dabei ist es wichtig, auch über Gemeindegrenzen hinaus zu planen. "Insbesondere an kleinen Gewässern in Mittelgebirgslage sind individuelle Lösungen erforderlich, zudem eine überregionale Verantwortlichkeit, indem etwa Aufforstungen oder Retentionsflächen im Oberlauf dazu beitragen, Einwohner und Dörfer am Unterlauf zu schützen", sagte Heinen-Esser.

Vereinheitlichung des Meldewesens
Grundlegend evaluiert werden derzeit zudem die Organisation des Hochwasserinformations- und -meldewesens, die Meldeketten und ihre Inhalte. Bisher existieren, historisch gewachsen teils für einzelne Einzugsgebiete, unterschiedliche Meldewesen. Das Ereignis unterstützt die Absicht des Ministeriums, die Organisation des Meldewesens in den Regierungsbezirken einheitlich durch eine Landesverordnung zu regeln. Eine solche Landesverordnung ist in Vorbereitung.

Erarbeitung und Beachtung von Risikokarten
Darüber hinaus müssen auch die Hochwasserrisiko- und Hochwassergefahrenkarten vor dem Hintergrund des Juli-Hochwassers angepasst und konsequent zur Planungsgrundlage werden. Als Überschwemmungsgebiete sind - bisher - mindestens die Gebiete festzusetzen, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, im Juli waren es vielerorts 10.000-jährige Ereignisse. Kommunen sind aufgerufen, landesweit das Förderangebot des Landes für Starkregengefahrenkarten und -handlungskonzepte anzunehmen. Ein Anstieg an Förderanträgen ist zu verzeichnen.

Ministerin Heinen-Esser: "Bei der Juli-Katastrophe wurden vielerorts alle bisher gemessenen Pegelstände weit überschritten. Im Zuge des fortschreitenden Klimawandels müssen wir damit rechnen, dass dies kein einmaliges Ereignis bleibt. Das Ereignis hat gezeigt, dass einige der Abläufe unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten zu überdenken sind. Hierin einbezogen ist die Verbesserung der Schnittstelle zwischen Meteorologie, Hydrologie und Katastrophenschutz. Das nächste Hochwasser kann schneller kommen, als uns lieb ist. Deswegen müssen wir jetzt Tempo machen, um bestmöglich vorbereitet zu sein und Folgen abzumildern."