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18.01.2021

Wir müssen weniger rotsehen: Ergänzende Informationen zur Ausweisung einer neuen Nitrat-Gebietskulisse

Zu in Teilen der Landwirtschaft geäußerter Kritik im Zusammenhang mit der Ausweisung der Nitrat-Gebietskulisse im Zuge der neuen Vorgaben zur Düngeregulierung informiert das Umweltministerium im Sinne umfassender Transparenz wie folgt:

Gemeinsames Ziel von Politik, Gesellschaft, Naturschutz und beteiligten Wirtschaftsverbänden ist es, die Qualität unseres Grundwassers zu schützen und wo erforderlich zu verbessern. Um ein ideales Pflanzenwachstum, reichhaltige Erträge und eine hoher Produktqualität zu ermöglichen, benötigen Kulturpflanzen ausreichend Nährstoffe. Insofern ist es erforderlich, Pflanzen und Böden gezielt mit Nährstoffen zu versorgen. Dies kann in Form organischer oder mineralischer Dünger erfolgen.

Im Grundsatz gilt, dass nur so viel Nährstoffe ausgebracht werden, dass Pflanzen und Böden optimal mit Nährstoffen versorgt werden, ohne dass es zu unerwünschten Austrägen in die Umwelt und insbesondere in Oberflächen- und Grundwasser kommt. Wenn die Stickstoffzufuhr den Bedarf der Pflanzen übersteigt, wird Stickstoff leicht in Form von Nitrat ausgewaschen.

Nitratbelastung große Herausforderungen der Wasserwirtschaft

Die Reduzierung der Nitratbelastung des Grundwassers ist eine der großen Herausforderungen der Wasserwirtschaft, eine nicht dem Pflanzenbedarf angepasste Düngung eine der Hauptursachen für Fehlentwicklungen. So wurde in der Vergangenheit mancherorts nach dem Prinzip „Viel hilft viel“ gedüngt, mit negativen Folgen für die Umwelt und die Grundwasserqualität.

Die Düngeverordnung und andere Regelungen zu Düngung und Tierhaltung sollen derartige negative Wirkungen von Nährstoffeinträgen vermeiden. Erfreulicherweise ist infolgedessen die Nitratbelastung des Grundwassers in der Gesamtheit der Messstellen in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Aber es gibt nach wie vor Gebiete, in denen die Nitratgrenzwerte im Grundwasser deutlich überschritten werden. Hier müssen wir alles Erforderliche tun, das Grundwasser zu schützen und die Landwirte dabei zu unterstützen. Jeder rote Grundwasserkörper ist einer zu viel!

Klage und Forderungen der EU-Kommission

Zu hohe Nitrat-Belastungen des Grundwassers waren der Auslöser einer Klage der EU-Kommission gegen Deutschland und die Verurteilung wegen nicht ausreichender Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie. Nach Auffassung der EU-Kommission hätte Deutschland spätestens ab 2012 wirksame Maßnahmen ergreifen müssen. Nach jahrelangem Streit einigten sich die EU-Kommission und die Bundesregierung Anfang 2020 auf schärfere Düngevorgaben. Sollte es zu weiteren Verzögerungen kommen oder die Vorgaben der EU-Kommission nicht ausreichend umgesetzt werden, drohten Deutschland Strafzahlungen von bis zu 850.000 Euro pro Tag.

Die neuen bundesweit gültigen, durch die jeweiligen Landesdüngeverordnungen ergänzten Düngeregeln sollen dies dauerhaft abwenden. Vor allem aber sollen sie dazu beitragen, dass an allem Messstellen die Grenzwerte eingehalten werden. Ziel ist es, die Haupteintragsquellen zu identifizieren und dort gezielt anzusetzen.

Grundwasser hat ein langes Gedächtnis

Das Besondere am Grundwasser: Je nach Bodenbeschaffenheit und Geologie sind die negativen Folgen unsachgemäßer Düngepraktiken oftmals erst nach Jahren sichtbar, umgekehrt gilt dies auch für die positiven Folgen einer praxisgerechten Düngung und umgesetzter Reduzierungsmaßnahmen. Grundwasser hat ein langes Gedächtnis. Auch kann es sein, dass eine überschüssige Düngung je nach geomorphologischen Verhältnissen das Grundwasser nicht an Ort und Stelle belasten, sondern zu einem Ausschlag an einer entfernt liegenden Messstelle führt.

All dies wird in den Modellierungen und Berechnungen berücksichtigt, die verlässliche und rechtsicher nachprüfbare Aussagen zulassen, welche Flächen in einer auszuweisenden Gebietskulisse als rote Gebiete ausgewiesen werden, in denen zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind. Entscheidende Grundlage für die Evaluierung ist ein engmaschiges und gut funktionierendes Grundwassermessnetz.

Programm zur Überprüfung und Ertüchtigung von Messstellen

Dazu dient ein schon seit einigen Jahren laufendes Programm zur Überprüfung und Ertüchtigung von Messstellen. Die sukzessive Überprüfung der Messstellen soll sicherstellen, dass die Messstellen stets dem aktuellen Stand der Technik und den Qualitätsanforderungen entsprechen. Wo erforderlich werden schrittweise neue Messstellen installiert, um die Repräsentativität des Messnetzes weiter zu verbessern. Sofern sich Messstellen als fehlerbehaftet herausstellen, werden sie bis zur Instandsetzung nicht weiter berücksichtigt, dies gilt auch schon im Verdachtsfall. Der Gebietsausweisung liegen nur Messdaten aus funktionstüchtigen und qualitätsgesicherten Messstellen zugrunde.

Vorreiter ist Nordrhein-Westfalen auch, wenn es um das Know-How der Modellierungstechnik für eine Regionalisierung bzw. Binnendifferenzierung geht. So war Nordrhein-Westfalen im März 2020 das erste Bundesland, in dem im Zuge der Änderung der Landesdüngeverordnung eine stärkere Binnendifferenzierung nitratbelasteter Gebiete auf Basis neuer Messungen und Modellierungen umgesetzt wurde.

Differenzierte Betrachtung der nitratbelasteten Gebiete

Ausgangspunkt für diese differenzierte Betrachtung der nitratbelasteten Gebiete – durchgeführt durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – waren die neuen Monitoring-Ergebnisse zur Bewertung des chemischen Zustands der Grundwasserkörper. Konkret wurden mit Hilfe des neu entwickelten Modells GROWA+ NRW 2021 Flächen identifiziert, in denen auch bei Einhaltung der aktuell geltenden Anforderungen der Düngeverordnung eine Überschreitung der Nitratgrenzwerte besteht oder zu erwarten ist. Das Modell bildete auch die entscheidende Grundlage für die bundesweiten Vorgaben.

Ausgangspunkt bildeten im Frühjahr 2020 die nitratbelasteten roten Grundwasserkörper (GWK) mit einer Gesamtfläche von insgesamt 828.000 ha (nach § 13 DüngeV 2017, alter Monitoringzyklus 2007-2012). Die nach neuem Monitoringzyklus und nach Binnendifferenzierung resultierende Gebietskulisse umfasste im März 2020 eine Fläche von insgesamt rund 303.000 ha, siehe hier.

Nach EU-Vorgaben kommen zusätzlich auch grüne Gebiete hinzu

Zusätzlich zur Betrachtung der roten Gebiete kommen nach zwischenzeitlichen Vorgaben der EU-Kommission erstmals auch Flächen aus grünen Grundwasserkörpern neu hinzu. So schreibt die novellierte Düngeverordnung erstmalig rechtlich verbindlich vor, dass in der Gebietskulisse auch grüne Grundwasserkörper Berücksichtigung finden müssen, in deren Gebiet mindestens eine „rote Messstelle“ liegt.

Bis zum Frühjahr 2020 mussten nur landwirtschaftliche Flächen Berücksichtigung finden, die in „roten“ GWK liegen. Die Europäische Kommission hat im Zuge des immer noch anhängigen Vertragsverletzungsverfahren darauf bestanden, bei der Ausweisung von nitratbelasteten Flächen erstmalig auch „grüne“ GWK zu berücksichtigen, wenn sich in einem solchen GWK mindestens eine rote Messstelle befinde. Erst die Forderungen der EU-Kommission haben zu einer Neuberechnung der Flächen unter erstmaliger Einbeziehung bestimmter grüner GWK geführt.

Diese neu und erstmalig einzubeziehenden „grünen GWK mit mindestens einer roten Messstelle“ umfassen in NRW eine landwirtschaftliche Fläche von insgesamt 363.000 ha. Nordrhein-Westfalen hat jedoch von den in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vorgesehenen Optionen einer weiteren Differenzierung und Modellierung Gebrauch gemacht. Dies hat zu einer Reduktion der zusätzlich zu berücksichtigen Fläche um rund 80 Prozent geführt. Unter anderem sind in Ostwestfalen zusätzliche Flächen (Feldblöcke) nunmehr erstmalig „rot“, die bislang als „grün“ galten. Dies liegt daran, dass es dort eine Reihe von „grünen“ GWK mit mindestens einer roten Messstelle“ gibt. Solche Flächen gibt es aber auch in anderen Teilen Nordrhein-Westfalens.

Neue Gebietskulisse umfasst aktuell rund 165.200 ha

Nach Umsetzung der neuen Vorgaben der Bundesdüngeverordnung und nach Anwendung der Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift umfasst der aktuelle Stand der Gebietskulisse eine Fläche von insgesamt rund 165.200 Hektar. Die neue Gebietskulisse ist auf ELWAS-Web feldblockscharf ausgewiesen. Die nitratbelasteten Gebiete werden beim Anklicken des Reiters "Gebiete nach § 5, § 13 a Düngeverordnung und § 38 a WHG" angezeigt.

Insgesamt liegt der Stand der aktuellen Gebietskulisse (rund 165.200 ha) nach Anwendung der Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Gebietskulisse demnach rund 89 Prozent unter der potenziell zu berücksichtigenden Ausgangskulisse (rund 1,2 Millionen Hektar). Betroffen sind aktuell rund 11 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Ohne Berücksichtigung der aktuellen Monitoring-Ergebnisse und der in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Modellierungen und Binnendifferenzierung läge der Anteil bei rund 80 Prozent.

Somit gelten auf rund 11 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche zusätzliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Düngung. Welche dies sind, schreibt die Mitte Dezember 2020 von der Landesregierung verabschiedete neue Landesdüngeverordnung vor.

Individuelle Situation, zielgenaue Beratung

Aufgrund der jeweils unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort ist jeder Feldblock und damit jede Betroffenheit von Landwirtinnen und Landwirten individuell unterschiedlich. Sofern Fragen zur aktuellen Neuausweisung bestehen, stehen schon heute die bekannten Anlaufstellen etwa bei der Landwirtschaftskammer zur Klärung bereit. Eine Zentrale Infostelle wurde bei der Landwirtschaftskammer eingerichtet (Gebietsausweisung@lwk.nrw.de), über die Anfragen zur Gebietsausweisung beantwortet werden.

Vor dem Hintergrund des von den Landwirtschaftsverbänden geäußerten erhöhten Beratungsbedarfs werden derzeit auch erweiterte Informationsangebote (FAQ-Listen und erläuternde digitale Informationen) bereitgestellt, mit denen das Verfahren zur Ermittlung der Gebietskulisse zusätzlich erläutert wird.

Unter anderem gilt dies für konkrete Einzelfälle, in denen etwa ein Landwirt in einem roten Gebiet zusätzlichen Anforderungen ausgesetzt ist, obwohl er schon heute in seiner Nährstoffbilanz weit unter Durchschnitt liegt. Der Forderung von Landwirtschaftsverbänden nach einer pauschalen, einzelbetrieblichen Befreiung von Auflagen, wenn Betriebe über Stickstoffbilanzen nachweisen, dass ihre Bewirtschaftung nicht zu hohen Nitrateinträgen führt, kann nach §8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift nicht entsprochen werden. Zunächst muss in der AVV noch näher festgelegt werden, ob und wie Einzeldaten in dem System Berücksichtigung finden.

Neues Düngeportal www.duengeportal-nrw.de

Mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums hat die Landwirtschaftskammer bereits Anfang Januar 2021 mit dem neuen Düngeportal www.duengeportal-nrw.de ein zusätzliches Online-Beratungsangebot veröffentlicht. Die Web-Anwendung greift auf verschiedene Datenbanken zurück unterstützt so die Landwirte in Nordrhein-Westfalen, die Vorgaben der neuen Düngeverordnung zu erfüllen.

Zudem hat die Landwirtschaftskammer mit Unterstützung des Landes einen neuen Leitfaden zur Optimierung der Stickstoff-Düngung im Freilandgemüsebau herausgegeben. Durch das intensive Monitoring in den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass neben Gebieten mit einer hohen Viehdichte auch Gebiete mit düngungsintensiven Gemüsekulturen ebenfalls hohe Nitratbelastungen des Grundwasserkörpers aufweisen. Der Leitfaden enthält effektive, praxisorientierte und innovative Maßnahmen zum Stickstoffmanagement. Dies ist eine wichtige Ergänzung für die Beratung der Betriebe.

Dialog und Transparenz

Die Landesregierung hat zu den Neuerungen der Düngeregulierung, der Überprüfung der Messstellen oder den anstehenden neuen Modellierungen und den Maßnahmen zur Regionalisierung bzw. Binnendifferenzierung Verbände und Öffentlichkeit stets transparent informiert.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Das eine Reihe von Immission- und Emissionsdaten berücksichtigende, mittlerweile in der AVV konkretisierte System zur Ermittlung zur Ermittlung nitratbelasteter Flächen ist komplex. Die Einbeziehung veränderter Ausgangsflächen und neuer Daten kann dazu führen, dass bislang „rote“ Feldblöcke am Ende einer Neuberechnung als „grün“ angesehen werden können. Genauso kann es aber auch das Ergebnis geben, dass bislang „grüne“ Feldblocke im Weiteren als „rote“, nitrataustragsgefährdete Bereiche ausgewiesen werden müssen. Bei der regelmäßig erforderlichen Aktualisierung der Gebietskulisse gibt es keinen Automatismus dahingehend „einmal „grün“, immer „grün“.

Förderangebote zur Unterstützung bei der Umsetzung

Investitionen, etwa zur Verbesserung des Nährstoffmanagements, können über das Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) gefördert werden. Gefördert werden Investitionen in Gebäude, bauliche Anlagen und technische Einrichtungen. Ausführliche Informationen zu dem Programm sind hier zu finden.
Das BMEL hat am 10. Dezember 2020 im Bundesanzeiger die „Richtlinie zur Investitionsförderung im Rahmen des Investitions- und Zukunftsprogramms für die Landwirtschaft“ veröffentlicht. Antragstellung ist ab 11.01.2021 über die Landwirtschaftliche Rentenbank möglich. Nach dieser Richtlinie können auch Maschinen zur emissionsarmen Düngerausbringung, Exaktausbringung, Gülleansäuerung, Sensortechnik oder NIRS-Analysetechnik und Gülleseparierung gefördert werden. Ausführliche Informationen zu dem Programm sind unter hier zu finden.