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20.05.2015

Minister Remmel: „Wir müssen das wilde NRW bewahren und beschützen“ - Artensterben setzt sich auch in NRW fort - Internationaler Tag der biologischen Vielfalt am 22. Mai

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel hat ein stärkeres Vorgehen gegen das weiter fortschreitenden Artensterben in NRW angekündigt. „Der Artenverlust ist neben dem Klimawandel die größte Bedrohung für uns und die Art und Weise, wie wir leben werden“, sagte Umweltminister Johannes Remmel im Vorfeld des internationalen Tags der Artenvielfalt am 22. Mai. Nach Angaben der Landesregierung liegt die Zahl der bereits ausgestorbenen oder verschollenen Tier- und Pflanzenarten in NRW mit mehr als 9 Prozent so hoch wie nie. „Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen. Auch wenn in NRW durch erfolgreiche Artenschutz- und Naturschutzprojekte die Geschwindigkeit deutlich verlangsamt wurde, schreitet auch bei uns das Artensterben voran. Diesen Verlust an biologischer Vielfalt dürfen wir nicht länger zulassen.“ Besorgniserregend sei die Bedrohung für die Artenvielfalt auch in den Gewässern in NRW: So sind von 51 heimischen Fischarten 16 akut gefährdet oder bereits ausgestorben. Minister Remmel: „Artenvielfalt braucht intakte Lebensräume. Hier setzen wir mit der Neuausrichtung der Naturschutzpolitik in NRW an. “So soll, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, in Kürze der Entwurf des neuen Landes-Naturschutzgesetzes als dritter Baustein der neuen NRW-Naturschutzpolitik vorgelegt werden. Bereits im Januar wurde mit der Biodiversitätsstrategie NRW die Grundlage für die künftige Ausrichtung des Naturschutzes in NRW gelegt und mit dem jüngst vom Landtag verabschiedeten Ökologischen Jagdgesetz wird der Waldschutz („Wald vor Wild“) gestärkt.

Rote Liste: 45 Prozent der Arten in NRW sind gefährdet

Insgesamt sind nach der aktuellen „Roten Liste der gefährdeten Arten in NRW“ etwa 45 Prozent der beobachteten Tier- und Pflanzenarten gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. „Wir konnten zwar zwischen 1999 und 2011 eine weitere Verschlechterung bei verschiedenen gefährdeten Arten durch eine aktive Naturschutzpolitik abwenden. So sind Weißstorch, Uhu, die Wildkatze und Biber wieder an vielen Stellen im Land heimisch geworden, in einigen wenigen Regionen auch der Fischotter und der Luchs. Das zeigt, dass eine aktive Naturschutzpolitik wirkt. Trotzdem gilt weiterhin, dass etwa die Hälfte der beobachteten Arten bei uns in ihrer Existenz gefährdet sind – und damit auch das wilde NRW“, sagte Minister Remmel. Besorgniserregend sei vor allem, dass die Gefährdung typischer Arten der Feldflur und bisher ungefährdeter Allerweltsarten deutlich zunimmt. Wenn sich die negative Entwicklung etwa beim Kiebitz weiter fortsetzt, wie in den letzten Jahren, dann wird diese heimische Vogel-Art um 2030 ausgestorben sein. Besorgniserregend ist auch die Situation der Arten in den Flüssen und Seen in NRW: Von 51 heimischen Fischarten sind 16 akut bedroht oder bereits ausgestorben. Darüber hinaus stehen 6 weitere Fischarten auf der Vorwarnliste (Bitterling, Brassen, Hecht, Nase, Rotfeder, Ukelei).

Die Gefährdungskategorien der Fischarten im Einzelnen:

Ausgestorben oder verschollen: Finte, Maifisch, Stint, Stör

Vom Aussterben bedroht: Meerneunauge, Schlammpeitzger und Schnäpel

Stark gefährdet oder gefährdet: Aal, Lachs, Quappe und Schneider, Äsche, Flussneunauge und Steinbeißer

Gefährdung unbekannten Ausmaßes oder durch extreme Seltenheit: Flunder, Kleine Maräne

Neben den 16 Fischarten sind in den heimischen Gewässern weitere Tierarten akut bedroht, etwa auch der Edelkrebs oder die Flussperlmuschel. Der Edelkrebs zählte früher in nahezu allen Gewässern in Nordrhein-Westfalen zum natürlichen Arteninventar. Infolge der Einschleppung der Krebspest durch die nicht heimischen amerikanischen Flusskrebse wurden die Bestände fast ausgelöscht. Heute existieren landesweit nur noch etwa 100 Fundorte. Noch seltener ist die Flussperlmuschel, die nur noch in der Eifel an einem Standort existiert. Von dieser Population wurden 2006/2007 Jungmuscheln gewonnen, die derzeit weiter aufgezogen werden. Aufgrund der komplizierten Vermehrungsstrategie der Perlmuschel gestalten sich bestandserhaltende Maßnahmen für die Art eher aufwändig und kompliziert. Mit Blick auf die gefährdeten Gewässer-Arten forderte Minister Remmel auch einen stärken Schutz dieser Lebensräume: „Auf einer Länge von mehr als 50.000 Kilometern durchziehen Flüsse und Bäche das Land. Sie sind die Lebensadern Nordrhein-Westfalens und als Garanten für die biologische Vielfalt unverzichtbar“, betonte Minister Remmel. „Aber es zeigt sich, dass die Eingriffe des Menschen in Form von Begradigungen und die Belastung der Flüsse mit Abwässern oder anderen Substanzen diesen wertvollen Lebensraum massiv belastet haben.“Rund 60 Prozent der Gewässer in NRW etwa sind künstlich verändert worden und nur noch etwa 8 Prozent der Flüsse und Seen verfügen nach Untersuchungen des Landesumweltamtes (LANUV) über ein intaktes Öko-System. „Flüsse, Bäche und Seen verbinden Städte und Dörfer, prägen unser Landschaftsbild, sind Erlebnisräume, Trinkwasserreservoire und bedeutende Lebens- und Entwicklungsadern für unsere faszinierende Artenvielfalt. Sie sind ein reichhaltiger Schatz, den wir bewahren und schützen müssen“, forderte Minister Remmel.

UN-Tag der biologischen Vielfalt

Der internationale Tag der biologischen Vielfalt wurde im Jahr 2000 durch die Vereinten Nationen eingeführt. Der Tag erinnert an den 22. Mai 1992, an dem sich die Staatenwelt in Nairobi auf das richtungweisende UN-Übereinkommen zur biologischen Vielfalt geeinigt hat. Es wurde inzwischen von mehr als 190 Vertragsstaaten unterzeichnet und gilt als eines der erfolgreichsten Abkommen der UNO. Ziel des Aktionstages ist es unter anderem, auf das weltweite Artensterben hinzuweisen, Aufmerksamkeit für den Naturschutz zu erregen und das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Artenvielfalt in der Natur zu schärfen.

Lebensräume für Tiere und Pflanzen in keinem gutem Erhaltungszustand

Viele Lebensräume für wild lebende Tier- und Pflanzenarten in NRW sind weiterhin nicht in einem guten ökologischen Zustand. Darauf weist das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hin. Die Situation im Flachland ist dabei kritischer als im Bergland. Nach Untersuchungen des LANUV sind rund 77 Prozent der Lebensräume im Flachland in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand. Das betrifft allen voran nährstoffarme Gewässer, Moore, Wiesen, Weiden und Hartholz-Auenwälder. Im Bergland sind es nur 32 Prozent. Den Buchenmischwald-Lebensräumen geht es hingegen vergleichsweise gut.

„Unsere Sorgenkinder sind die Wiesen und Weiden im Flachland. Ihre Fläche schrumpfte in den letzten Jahren zunehmend. So verschwanden im Regierungsbezirk Münster allein von 1999 bis 2013 rund 24.000 Hektar Flachland-Grünland, das entspricht knapp einem Drittel“, sagte der Präsident des LANUV, Dr. Thomas Delschen.

Besonders besorgniserregend ist die negative Entwicklung bei den kräuterreichen und daher besonders artenreichen, bunt blühenden Wiesen, die nur zweimal pro Jahr gemäht werden. „Buntblühende Wiesen mit klassischen Wiesenblumen wie Margerite, mit Schmetterlingen, singenden Feldgrillen und Feldlerchen, die viele Menschen hier in NRW in ihrer Kindheit noch als alltäglich erlebt haben, sind heute kaum noch vorhanden. Unsere heutigen Kinder kennen den Sommergesang der Grillen und Lerchen bestenfalls noch aus dem Urlaub am Mittelmeer“, so Delschen.

Wiesen und Weiden gehen nicht nur in der Fläche zurück. Auch ihre Qualität sinkt, denn in den heute noch verbliebenen Wiesen und Weiden nimmt die Artenzahl seit Jahren ab. Seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der dort lebenden Arten kontinuierlich ab. Nach Auswertungen des LANUV werden heute etwa 77 Prozent des Grünlandes in NRW intensiv genutzt, was einer der Hauptursachen für die Abnahme der Artenzahl ist.