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18.07.2014

Naturerbe bedroht: 45 Wildbienenarten in NRW bereits ausgestorben - Artensterben birgt wirtschaftliche Risiken für Obst- und Rapsanbau in NRW

Umweltminister Johannes Remmel warnt vor wirtschaftlichen Einbußen im Anbau von Obst und Raps, sollte sich das Artensterben auch in NRW weiter forcieren. „Täglich verschwinden etwa 130 Tier- und Pflanzenarten von unserem Planeten. Dieses Artensterben birgt auch große Risiken für uns Menschen“, sagte der Minister. So sind etwa in NRW von den 364 heimischen Wildbienenarten bereits 45 Arten ausgestorben. Weitere 129 Arten sind akut in ihrem Bestand gefährdet. „Das Verschwinden von wilden Bienen ist besorgniserregend, denn dadurch stehen wichtige Bestäuber für unsere Wild- und Nutzpflanzen nicht mehr zur Verfügung“, erläuterte Remmel. „Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen. Das gilt auch für unser Bundesland, in dem rund 45 Prozent der Tier- und Pflanzenarten gefährdet sind.“


Auf der 10. Station seiner Sommertour „WildesNRW“ informierte sich Minister Remmel beim Bieneninstitut der NRW-Landwirtschaftskammer in Münster, welche Aufgaben Wild- und Honigbienen übernehmen und wie sie geschützt werden können. Alle Bienenarten stehen aufgrund ihrer starken Bedrohung und ihrer hohen ökologischen Bedeutung als Bestäuber von Blütenpflanzen ganzjährig unter Schutz. Ihre Nester dürfen nicht zerstört werden. Wilde Bienen leisten neben der Honigbiene einen wichtigen Beitrag zur Bestäubung von zum Beispiel Erdbeerfeldern oder Apfelplantagen, von Blüten in der freien Natur oder in Schreber- und Hausgärten. Die Hauptursache für den Schwund von Wildbienen ist, dass durch eine immer intensivere Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen Kulturlandschaften ohne Artenvielfalt entstehen. Die Folge ist ein fehlendes Futterangebot durch ein immer magereres Angebot an Blüten in Frühjahr, Sommer und Herbst. Zudem reagieren Wildbienen und Honigbienen sehr empfindlich auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Ein unsachgemäß angewendetes Beizmittel für Maiskörner hat 2008 in Baden-Württemberg zum Tod tausender Honigbienenvölker geführt.


Imker machen sich schon lange Sorgen um das Wohlergehen ihrer Honigbienenvölker: Parasiten wie die Varroa-Milbe, der Nesoma-Pilz oder Viren sowie eine in den USA jüngst entdeckte parasitäre Fliege schwächen die Bienen und können ganze Völker ausrotten. Der Verlust von Honigbienenvölkern kann starke wirtschaftliche Einbußen im Anbau von Obst und Raps nach sich ziehen. Der Verlust von heimischen Wildbienenarten wiegt umso schwerer, da diese nicht mehr als Ersatz für die Honigbiene einspringen können.


Das Artensterben birgt für Minister Remmel große Risiken für den Menschen. Nur langsam setze sich die Erkenntnis durch, dass es beim Artenschutz um mehr geht als das Überleben der letzten Wildkatze oder der letzten Wald-Biene, so der Minister. Remmel: „Verloren gegangene Artenvielfalt kann der Mensch nicht wieder herstellen. Durch den Verlust von Arten, Genen und Lebensräumen verarmt die Natur, ganze Ökosysteme und damit auch der Mensch geraten in Gefahr.“


In Nordrhein-Westfalen halten etwa 12.500 Imkerinnen und Imker 74.000 Bienenvölker. Die Bienen produzieren in Nordrhein-Westfalen im Jahr etwa 2.200 Tonnen Honig im Wert von etwa 17,7 Millionen Euro. Die Bestäubungsleistung der Honigbiene spielt im Naturhaushalt, für die Artenvielfalt sowie in der Agrarwirtschaft eine wichtige Rolle und ist unverzichtbar. Durch den Bienenflug werden die Erträge zahlreicher Nutzpflanzen in der Landwirtschaft gesteigert. Deshalb unterstützt das Land Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Honigbienen sowie die Imkerinnen und Imker bei ihren diversen Aktivitäten. Auch eine Verbreiterung der Nahrungsgrundlage in der Agrarlandschaft ist sehr wichtig.

Verlust der biologischen Vielfalt bedroht das wilde NRW

In Nordrhein-Westfalen leben über 43.000 verschiedene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Dieser Artenreichtum ist die Folge des Nebeneinanders zweier großer, sehr verschiedener Naturräume: Dem atlantisch geprägten Tiefland und dem kontinental geprägten Bergland. Jede dieser Regionen bietet eine historisch gewachsene Vielfalt von Lebensräumen (Biotopen) mit ihren typischen Tieren und Pflanzen, vom kleinsten Insekt über unseren „Urwald-Baum“, die Rotbuche, und den Wanderfalken als weltweit schnellstem Lebewesen bis hin zum größten Wildtier in NRW, dem europäischen Wisent. Ein Schatz direkt vor unserer Tür. Aber auch ein Schatz, der bedroht ist und den es zu bewahren gilt.


Weltweit ist die biologische Vielfalt massiv bedroht. Seit Jahrzehnten ist ein dramatischer Rückgang der Arten zu beobachten. So liegt die gegenwärtige Verlustrate in einigen Regionen der Welt etwa 100 bis 1.000 Mal höher als die natürliche Aussterberate. Auch in NRW geht der Verlust an biologischer Vielfalt weiter. Unsere Landschaften und Lebensräume haben sich durch die Eingriffe des Menschen stark verändert. Dies zeigt zum Beispiel ein Blick auf die Wälder in Deutschland: Von Natur aus wären rund zwei Drittel der Fläche Deutschlands von unserem Ur-Baum, der Rotbuche, bedeckt. Heute sind es real aber nur noch knapp sechs Prozent der Fläche.


Unser Naturerbe in NRW zu erhalten, ist eine Herkulesaufgabe, denn auch in NRW konnte bisher das Artensterben nicht aufgehalten werden: Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Nach der aktuellen „Roten Liste NRW“ sind dabei Schmetterlinge (rund 55 Prozent), Moose (60 Prozent), Kriechtiere (etwa 71 Prozent) sowie Vögel und Wildbienen/Wespen (jeweils rund 52 Prozent betroffen) überdurchschnittlich gefährdet.


Die Ursachen des Artensterbens sind häufig menschengemacht: Hierzu gehören unter anderem die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß. So gehen täglich in NRW etwa 10 Hektar an wertvollen Lebensräumen für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten verloren.


Das NRW-Umweltministerium will dem fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt mit einer neuen Biodiversitätsstrategie und einem neuen Landesnaturschutzgesetz entgegenwirken. Beide Vorhaben sollen in den nächsten beiden Jahren umgesetzt werden.


Wie Gartenbesitzerinnen und Gartenbesitzer etwas zum Schutz von Wildbienen und anderen Insektengruppen beitragen können, zum Beispiel mit dem Bau eines Insektenhotels.