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09.07.2014

Wildes NRW: Dritte Station der diesjährigen Sommertour führte zum Renaturierungsprojekt der Lippemündung

Die Landesregierung hat im vorigen Jahr gut 70 Millionen Euro in die Renaturierung der heimischen Flüsse und Bäche investiert. Dies hat das NRW-Umweltministerium mitgeteilt. Konkret wurden rund 300 Projekte gefördert, um Gewässer ökologisch aufzuwerten, ihnen wieder mehr Raum zu geben und historische Begradigungen zurückzunehmen. "Bäche und Flüsse sind Erlebnisräume für uns Menschen und bedeutende Lebensadern für unseren reichhaltigen Schatz an heimischen Tier- und Pflanzenarten", sagte Umweltminister Johannes Remmel während der dritten Station seiner diesjährigen Sommertour. "Doch das können sie nur sein, wenn sie auch über ein intaktes Öko-System verfügen. Bei vielen Gewässern in NRW ist das leider nicht der Fall. Wir wollen dies ändern und setzen die Förderung von Gewässer-Renaturierungen daher weiter fort." Bis spätestens 2027 sollen alle Seen und Flüsse in Nordrhein-Westfalen die ökologischen Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie erreichen. Das ist entweder ein "guter ökologischer Zustand" oder - an erheblich veränderten Gewässern - ein "gutes ökologisches Potenzial".

Nach dem letzten "Umweltbericht NRW" sind die Fließgewässer in NRW weiterhin zum Großteil nicht in einem ökologisch guten Zustand. Lediglich acht Prozent der untersuchten 13.750 Gewässerkilometer in NRW verfügen über ein intaktes Ökosystem. 92 Prozent sind in einem mäßigen bis schlechten ökologischen Zustand. Maßgeblich hierfür sind die schlechten Gewässerstrukturen, die vor allem durch menschliche Eingriffe entstanden sind. Gerade im Zuge der Industrialisierungen wurden einstmals natürliche Gewässer begradigt und reguliert, Talsperren für Trinkwasserzwecke und Anlagen für Industrieabwässer gebaut. Diese Entwicklungen führten dazu, dass die über Jahrzehnte hinweg stark veränderten Gewässer ihre natürlichen Funktionen nicht mehr oder nur noch in erheblich reduziertem Umfang erfüllen können. Durch diese massiven Eingriffe können etwa 60 Prozent aller Gewässer in NRW den von der EU geforderten guten ökologischen Zustand gar nicht mehr erreichen. Auch verhindern diese Eingriffe vielerorts, dass gewässertypische Tiere und Pflanzen ihre angestammten Lebensräume durchgängig besiedeln können.

Bäche und Flüsse sind Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Doch dieses wilde NRW ist bedroht. Fast die Hälfte der heimischen Arten steht auf der Roten Liste. "Dieser Entwicklung will die Landesregierung entgegenwirken. Natürliche und naturnahe Bäche und Flüsse sind ein wichtiger Baustein in unserer Strategie zum Erhalt unserer biologischen Vielfalt, zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz in NRW", betonte Remmel.

Ein gelungenes Gewässer-Renaturierungsprojekt besuchte der Minister in Wesel im Rahmen der diesjährigen Sommertour zum Thema "Wildes NRW". Im Bereich der Lippemündung in den Rhein wurde ein 2,5 Kilometer langer begradigter Gewässerlauf verlegt und direkt an die Auenlandschaft angebunden. Dadurch wurden rund 76 Hektar Aue gewonnen. Durch ihre Vernetzung mit der Lippe können jetzt natürliche Gewässerprozesse einsetzen, wie die Überflutung der Aue. Diese Dynamik schafft vielfältige Lebensräume für schützenswerte Tiere und Pflanzen. "Ich freue mich darüber, dass nun auch an dieser Stelle die Lippe wieder frei und dynamisch fließen und ihr natürliches Wechselspiel mit der Aue eingehen kann. Viele Akteurinnen und Akteure haben bei diesem Projekt mitgewirkt - und alle haben an einem Strang gezogen. Das Ergebnis ist für alle Seiten positiv", sagte Remmel.
Das Umweltministerium kooperierte bei diesem Projekt mit dem Lippeverband, dem Kreis und der Stadt Wesel, dem Landesbetrieb Straßenbau, der RAG AG sowie einem privaten Kiesabbauunternehmen. Das seit 2000 geplante Projekt wird im Herbst 2014 abgeschlossen. Bereits ab 1990 wurden viele Maßnahmen durchgeführt, um der begradigten Lippe wieder eine natürliche Entwicklung zu ermöglichen. Die Lippe hat eine besondere Bedeutung für Nordrhein-Westfalen, da sie nicht nur der längste Nebenfluss des Rheins in NRW, sondern auch von ihrer Mündung in den Rhein bis Paderborn Landesgewässer ist. Wegen der vielen bereits erfolgreich durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen ist die Lippe eines der Vorzeigegewässer für die Umsetzung des Programms "Lebendige Gewässer", mit dem das Land NRW die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie erreichen will.

Unter dem Motto "WildesNRW" informieren sich Minister Remmel und der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Horst Becker, auf ihrer landesweiten Sommertour über die Vielfalt an Lebensräumen in NRW, über Artenreichtum und Artenverlust sowie erfolgreiche Schutzprojekte vor Ort. "Unser Land hat eine einzigartige und beeindruckende Natur, es ist ein Hort für Tausende von Tieren und Pflanzen - ein Schatz direkt vor unserer Tür. Ein Schatz, der immer wieder neu entdeckt werden will. Aber eben auch ein Schatz, den es für die nächsten Generationen zu erhalten gilt", betonte Remmel. Denn auch wenn das Land deutliche Erfolge im Artenschutz erreicht hat - der Artenverlust setzt sich auch in NRW weiter fort. "Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Wir müssen dringend gegensteuern. Das Renaturierungsprojekt der Lippe, das vielen Tier- und Pflanzenarten neue Lebensräume bietet, ist hierfür ein richtungweisendes Beispiel", sagte Remmel.

In den vergangenen Jahren wurden bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Zustand der Gewässer in NRW zu verbessern: Zum Beispiel wurden Gewässer wieder naturnah und durchgängig gestaltet, Leistungen von Kläranlagen verbessert und Regenwassereinleitungen von Siedlungsbereichen und Straßen geprüft und gereinigt. Dies genügt jedoch nicht, um die Belastungen so zu verringern, dass die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden können. Ein wichtiges steuerndes Element ist der Bewirtschaftungsplan, der für jedes Flussgebiet in Europa erstellt werden muss. Derzeit entwickelt das Land Nordhrein-Westfalen den zweiten Bewirtschaftungsplan mit Zielen für die Jahre 2016 bis 2021. Daran wirken alle Wasserbehörden, die Kommunen und zahlreiche Interessengruppen mit. Auch die Öffentlichkeit ist gefragt: Bürgerinnen und Bürger können bis zum 23. Juni 2014 ihre Stellungnahme zu den wichtigen Wasserbewirtschaftungsfragen an das Umweltministerium oder die zuständige Bezirksregierung abgeben. Ende 2014 wird ein Entwurf des Bewirtschaftungsplans vorgelegt, zu dem dann erneut Stellung genommen werden kann.


'WildesNRW - Der Schatz vor Deiner Tür'

Alte Buchenwälder, mystische Moore, knorrige Eichenbäume, moosbedeckte Auenwälder, blühende Heideflächen, ausgedehnte Wasserlandschaften und wilde Mittelgebirgsbäche: Nordrhein-Westfalen hat eine einzigartige Natur und eine faszinierende Artenvielfalt. Mehr als 3.000 Naturschutzgebiete, etwa 550 Gebiete des europäischen Schutzgebietssystems "Natura 2000", der Nationalpark Eifel, rund 100 Wildnisgebiete und 14 Naturparke bewahren das heimische Naturerbe und machen es für die Bevölkerung erlebbar. Als bevölkerungsreichstes Bundesland ist Nordrhein-Westfalen nicht nur Heimat für rund 18 Millionen Menschen; auch mehr als 43.000 verschiedene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten finden hier Lebensraum, vom kleinsten Insekt über unseren "Urwald-Baum", die Rotbuche, und den Wanderfalken als weltweit schnellstem Lebewesen bis hin zum größten Wildtier in NRW, dem europäischen Wisent. Sie alle gehören zum "Wilden NRW".

Doch diese beeindruckenden Zahlen dürfen nicht drüber hinwegtäuschen, dass unser Naturerbe gefährdet ist. Das Artensterben schreitet auch in NRW weiter voran: Etwa 45 Prozent der beobachteten Tier- und Pflanzenarten in NRW sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Rund 42 Prozent der Säugetierarten, etwa 42 Prozent der Farn- und Blütenpflanzen,  mehr als 50 Prozent der Vogelarten  und 55 Prozent der Schmetterlingsarten sind akut gefährdet oder bereits ausgestorben.

Die Ursachen des Artensterbens sind häufig menschengemacht: Hierzu gehören die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, der Klimawandel, der auch in NRW bereits deutlich Spuren hinterlässt und der fortschreitende Flächenfraß. So verschwinden täglich in NRW etwa 10 Hektar an wertvollen Flächen, Brutstätten und Lebensräume für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten.





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