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07.08.2014

Zerschneidung der Landschaften – Grünbrücken bringen Nutzen für Tier und Mensch - Parlamentarischer Staatssekretär Horst Becker informiert sich im Rahmen der Sommertour „Wildes NRW“ über die Bedeutung von Grünbrücken

Genetische Verarmung kann lokal zum Aussterben von Tierarten führen. Verursacht wird dies häufig durch eine Zerschneidung von Landschaften, sodass Tiere nicht mehr wandern können und isoliert werden. „Ein hoher Flächenverbrauch, ein dichtes Verkehrsnetz und höheres Verkehrsaufkommen haben eine zunehmende Zerschneidung der Landschaft zur Folge“, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär des NRW-Umweltministeriums Horst Becker, der sich heute im Rahmen der Sommertour zum Thema „Wildes NRW“ über die Funktion einer Grünbrücke über die A 1 zwischen Nettersheim und Blankenheim informierte. Mit Hilfe von Grünbrücken sollen vorher voneinander isolierte Lebensräume miteinander verbunden und das Wandern von Tieren wieder ermöglicht werden.

„Die heimische Artenvielfalt, der Schatz vor unserer Tür, ist bedroht, das gilt für herkömmliche Arten wie das Rotwild ebenso wie für sehr seltene Arten wie die Wildkatze. Grünbrücken helfen vielen Tier- aber auch Pflanzenarten neue Lebensräume zu erobern“, sagte Staatssekretär Becker. „Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen und müssen gegensteuern. Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben.“

Das Straßennetz in Nordrhein-Westfalen hat mit etwa 30.000 Kilometern klassifizierter Straßen einen Anteil von insgesamt 11 Prozent an den insgesamt 270.000 Kilometern Straßennetzlänge in Deutschland. Es ist über große Teilräume des Landes so engmaschig geworden, dass die notwendige Bewegungsfreiheit zur Nahrungssuche, Fortpflanzung und das Erobern neuer Lebensräume für eine Vielzahl von Arten zunehmend gefährdet erscheint. Eine gesunde Artenvielfalt kann damit nicht mehr nachhaltig sichergestellt werden. Vor allem beim Rotwild führt dies zu Problemen. Es findet zu wenig Austausch zwischen den einzelnen Rudeln statt, die Gefahr von Inzucht und damit genetischer Verarmung steigt.

Neben dem dichter werdenden Straßennetz haben auch Verkehrswege wie Eisenbahnlinien, schiffbare Kanäle und Siedlungen wesentlichen Einfluss als Barrieren. „Wirksame Maßnahmen um Barrieren an Straßen abzubauen sind bekannt und erprobt. Grünbrücken nehmen hier eine ganz wesentliche Funktion ein, um Tierarten, die wandern, neue Räume und Wege zu eröffnen“, sagte Staatssekretär Becker. „Umso erfreulicher ist, dass beispielsweise für die Grünbrücke hier an der A 1 dokumentiert wurde, dass die Wildkatze sie nutzt.“ Besonders größere Säugetiere wie Rotwild und Wildkatzen nutzen solche Bauwerke. Aber auch weniger seltene Arten wie Reh, Dachs und Fledermaus profitieren von den Querungshilfen.

Die zerschnittenen Kulturlandschaften mit vielen Siedlungen, Gewerbeflächen und Straßen sind nicht nur gefährlich für die Artenvielfalt, sondern auch für den Menschen. Der Bau von Grünbrücken kann helfen, Wildunfälle zu reduzieren. „Damit werden Belange des Naturschutzes mit denen der Verkehrssicherheit zusammengeführt“, erläuterte Becker.

Neben der Grünbrücke an der Bundesautobahn 1 zwischen Nettersheim und Blankenheim wurden bisher drei weitere Grünbrücken in Nordrhein-Westfalen verwirklicht:

  • Bundesstraße 64 über den Eggekamm westlich Bad Driburg (Leitarten Rotwild und Wildkatze)
  • Bundesautobahn 31 (Üfter Mark) zwischen Schermbeck und Wulfen (Leitart Rotwild)
  • Bundesautobahn 3 (Königsforst/Wahner Heide) zwischen Heumar und Rösrath (Leitart Rotwild)

Verlust der biologischen Vielfalt bedroht das wilde NRW

In Nordrhein-Westfalen leben über 43.000 verschiedene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Dieser Artenreichtum ist die Folge des Nebeneinanders zweier großer, sehr verschiedener Naturräume: Dem atlantisch geprägten Tiefland und dem kontinental geprägten Bergland. Jede dieser Regionen bietet eine historisch gewachsene Vielfalt von Lebensräumen (Biotopen) mit ihren typischen Tieren und Pflanzen, vom kleinsten Insekt über unseren „Urwald-Baum“, die Rotbuche, und den Wanderfalken als weltweit schnellstem Lebewesen bis hin zum größten Wildtier in NRW, dem europäischen Wisent. Ein Schatz direkt vor unserer Tür. Aber auch ein Schatz, der bedroht ist und den es zu bewahren gilt.

Weltweit ist die biologische Vielfalt massiv bedroht. Seit Jahrzehnten ist ein dramatischer Rückgang der Arten zu beobachten. So liegt die gegenwärtige Verlustrate in einigen Regionen der Welt etwa 100 bis 1.000 Mal höher als die natürliche Aussterberate. Auch in NRW geht der Verlust an biologischer Vielfalt weiter. Unsere Landschaften und Lebensräume haben sich durch die Eingriffe des Menschen stark verändert. Dies zeigt zum Beispiel ein Blick auf die Wälder in Deutschland: Von Natur aus wären rund zwei Drittel der Fläche Deutschlands von unserem Ur-Baum, der Rotbuche, bedeckt. Heute sind es real aber nur noch knapp sechs Prozent der Fläche.

Unser Naturerbe in NRW zu erhalten, ist eine Herkulesaufgabe, denn auch in NRW konnte bisher das Artensterben nicht aufgehalten werden: Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Nach der aktuellen „Roten Liste NRW“ sind dabei Schmetterlinge (rund 55 Prozent), Moose (60 Prozent), Kriechtiere (etwa 71 Prozent) sowie Vögel und Wildbienen/Wespen (jeweils rund 52 Prozent betroffen) überdurchschnittlich gefährdet.

Die Ursachen des Artensterbens sind häufig menschengemacht: Hierzu gehören unter anderem die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß. So gehen täglich in NRW etwa 10 Hektar an wertvollen Lebensräumen für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten verloren.

Das NRW-Umweltministerium will dem fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt mit einer neuen Biodiversitätsstrategie und einem neuen Landesnaturschutzgesetz entgegenwirken. Beide Vorhaben sollen in den nächsten beiden Jahren umgesetzt werden.