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Remmel: NRW-Luftreinhaltepläne erreichen EU-Grenzwerte nicht

Erste Belastungsrückgänge bei Schadstoffen zwar erkennbar – Weitere Anstrengungen aber nötig – Neue Studien zu Gesundheitsbelastung und Sterblichkeitsraten

Das Land Nordrhein-Westfalen hat im vergangenen Jahr die EU-Grenzwerte bei Luftschadstoffen nicht an allen Messstationen erreicht, aber erste Etappenerfolge erzielt. „Wir sind zwar auf dem richtigen Weg. Aber auch wenn erste Rückgänge bei Feinstaub und Stickstoffdioxid zu erkennen sind, sind weitere Anstrengungen unbedingt notwendig“, sagte Umweltminister Johannes Remmel bei der Vorlage der Evaluation des Luftreinhalteplans Ruhrgebiet in Düsseldorf. Weitere Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsschäden seien auch deshalb erforderlich, weil aktuelle Studien die bisherigen Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Sterblichkeitsrate, Wohnortnähe und Feinstaubbelastungen, bestätigen und bekräftigen. „Die Mahnungen von anerkannten Umweltmedizinern müssen wir sehr ernst nehmen“, betonte Remmel.

Eine umfangreiche Langzeitstudie, die derzeit im Ministerium erstellt wird, zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Sterblichkeitsraten, Wohnortnähe und Feinstaubbelastung. Im Rahmen der Studie „Staubkohorte Frauen NRW“ wurden fast 5000 Frauen aus dem Ruhrgebiet sowie Dülmen und Borken untersucht, und für die bisher verstorbenen die Todesursachen ermittelt. Demnach gibt es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen den Belastungen durch Feinstaub/Stickstoffdioxid, der Wohnortnähe zu einer vielbefahrenen Straße, der allgemeinen Sterblichkeit und der Todesursache durch Herz-Kreislauferkrankungen. Für den Anstieg der Sterblichkeit an Lungenkrebs konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang in Verbindung mit Feinstaub beobachtet werden, bei Stickstoffdioxid ergab sich ein Zusammenhang mit dem Anstieg der Todesursache „Atemwegserkrankungen“.

In einem Expertengespräch, das vor kurzem im Ministerium stattgefunden hat, warnten Umweltmediziner daher einhellig vor den gesundheitlichen Folgen von Luftschadstoffen. „Jede Verringerung der bestehenden Belastung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid ist daher dringend anzustreben“, heißt es in einem gemeinsam verabschiedeten Papier. „Den Mahnungen der Experten werden wir folgen, weil wir Gefahren von der Bevölkerung abwenden wollen“, sagte Remmel. Die Dringlichkeit, die Feinstaub-Konzentration zügig zu senken, würden auch durch aktuelle Untersuchungen unterstrichen, die Hinweise darüber geben, dass Feinstaub für mehr Krankheitsbilder verantwortlich sein könnte, als bisher angenommen. So gebe es derzeit erste Erkenntnisse, die auf einen Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und Diabetes-Erkrankungen hinweisen. „Wir müssen hier zwar noch weiterreichende Untersuchungen abwarten. Doch die wissenschaftlichen Fakten von Experten setzen uns unter Handlungsdruck.“

Landesweit wurde 2009 zwar überall der Feinstaub-Jahresmittelwert eingehalten. Jedoch wurden noch in sieben Städten (Krefeld, Düsseldorf, Essen, Aachen, Dortmund, Duisburg und Mönchengladbach) mehr als 35 Tage mit Überschreitungen des Tagesmittelwertkriteriums gemessen. Spitzenreiter war Krefeld-Hafen mit 70 Überschreitungstagen. Bei Stickstoffdioxid (NO2) wurde im vorigen Jahr an 76 von insgesamt 121 Messstellen der Jahresmittelwert nicht eingehalten. Remmel: „Feinstaub und Stickstoffdioxid sind zwei Luftschadstoffe, die weitreichende gesundheitliche Folgen für die Menschen haben. Die jetzt ermittelten Zahlen liegen über den Grenzwerten der EU und dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation WHO. Daher ist die Politik in der Pflicht, weitere Maßnahmen zu ergreifen.“

Die Evaluation des Luftreinhalteplans Ruhrgebiet zeigt, dass erste Belastungsrückgänge erkennbar seien, so Remmel. Die Hintergrundbelastung in NRW ging zwischen 2007 und 2009 um 1 bis 2 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf rund 24 Mikrogramm zurück – also um 3 Überschreitungstage. Die WHO empfiehlt einen Grenzwert von 20 Mikrogramm. Positiv hervor hob der Evaluationsbericht die Wirkung von Umweltzonen: An Messstationen innerhalb der Umweltzonen im Ruhrgebiet traten im vorigen Jahr durchschnittlich deutlich weniger Feinstaub-Überschreitungstage auf als 2007 (im Mittel 19 Überschreitungstage weniger). An Messstationen außerhalb der Umweltzone war dieser Effekt deutlich weniger ausgeprägt (minus 3 Überschreitungstage).

Ein weiterhin großes Problem sieht Remmel in der Stickstoffdioxidbelastung: An verkehrsreichen, eng bebauten Innenstadtstraßen seien die Werte weiterhin hoch. Die NO2-Hintergrundbelastung von 2007 bis 2009 ist um 2 Mikrogramm angestiegen. An einigen Messstationen in Umweltzonen sind jedoch auch leichte Rückgänge erkennbar. Umweltminister Remmel sieht wegen der noch unzureichenden Ergebnisse bei der Evaluation der Luftreinhaltepläne weiterhin akuten Handlungsbedarf, auch, um ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU zu vermeiden.

Scharfe Kritik richtet Remmel an die Bundesregierung und an Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). „Herr Röttgen lässt Nordrhein-Westfalen beim Kampf gegen Luftschadstoffe allein. Nicht nur, dass wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte brach liegen, weil es keine ausreichende finanzielle Unterstützung seitens der Bundesregierung gibt. Auch das die staatliche Förderung für die Nachrüstung mit Partikelfilter ausläuft, ist für unser Bemühen, eine Verringerung der Luftbelastung im Ruhrgebiet zu erreichen, nicht förderlich“, sagte Remmel.

Zu den jetzt anstehenden Fortschreibungen der Luftreinhaltepläne wird vom Umweltministerium ein breit angelegter Dialog gestartet. Die Umweltdezernenten der Städte und Kommunen wurden bereits über die Ergebnisse der Evaluation informiert, auch der Umweltausschuss des Landtags. Heute Abend folgt ein Treffen mit den Regierungspräsidenten. Weitere Gespräche mit Wirtschaftsverbänden, Handwerkskammern und Umweltorganisationen sind geplant. Ziel des landesweiten Konsultationsprozesses ist es, die Ideen, Wünsche und Anregungen aufzugreifen und in den Luftreinhalteplan Ruhrgebiet aufzunehmen. „Dabei dienen wir als Vermittler. Die konkrete Fortschreibung der Luftreinhaltepläne im Ruhrgebiet werden die Kommunen gemeinsam mit den Bezirksregierungen umsetzen“, so Remmel. „Damit greifen wir auf die lokale Expertise und Anforderungen zurück.“

Der aktualisierte Luftreinhalteplan Ruhrgebiet soll bereits Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist demnach ab Frühjahr 2011 vorgesehen.