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Umwelt. Naturschutz. Verkehr

Gewässerbiologie

Oberlauf der Ruhr. Foto: Dr. Detlev Ingendahl

Gewässerbiologie

Fließgewässer und Seen sind vielfältige Lebensräume, die in Nordrhein-Westfalen von einer großen Anzahl von Lebewesen besiedelt werden. Doch allein rund 31% der heimischen Fischarten sind durch menschliche Eingriffe gefährdet. Das Land ergreift deshalb Maßnahmen, um die Gewässerqualität zu verbessern.

Knapp 60 heimische Fischarten in Nordrhein-Westfalen

Es gibt in Nordrhein-Westfalen knapp 60  Fischarten, davon 51 einheimische Arten, die sich mit ihrer Lebensweise an die besonderen Umweltbedingungen der Gewässer angepasst haben. Die Bachforelle kommt zum Beispiel hauptsächlich in den Bächen und Flüssen der Mittelgebirge vor. Sie benötigt sauerstoffreiches, klares und im Sommer kühles Wasser. Die Forellen leben in flachen, schnell fließenden Gewässerabschnitten, die durch einen Kies und Schotter haltigen, abwechslungsreichen Grund geprägt werden. Im Herbst legen die Weibchen ihre Eier in den kiesigen Gewässergrund, wo sich die Eier und Larven über den Winter bis ins Frühjahr entwickeln. Eine ähnliche Lebensweise wie die Bachforelle haben auch weitere Fischarten der Mittelgebirgsregion, wie die Äsche und der Lachs. Diese Arten werden zur Gruppe der lachsartigen Fische zusammengefasst. Im Gegensatz dazu besiedeln Fischarten wie Nase, Barbe und Brachsen, die zu den Karpfenartigen gezählt werden, eher diejenigen Fließgewässer, die den Übergang vom Mittelgebirge zum Flachland markieren oder die Fließgewässer des Tieflandes. Sie können damit auch in langsam fließenden, tiefen Gewässerabschnitten oder auch in den Flussauen geeignete Lebensräume besiedeln. Sie vertragen dabei in den Sommermonaten höhere Wassertemperaturen, die auch zu einem schnelleren Wachstum der Tiere beitragen.

Kleinlebewesen und Pflanzen

Neben den Fischen kommt in den Fließgewässern und Seen eine große Vielzahl von wirbellosen Kleinlebewesen vor, die sich weitgehend dem Blick des Betrachters vom Gewässerrand entziehen. Zu diesen Lebewesen gehören beispielsweise die Larven vieler Insekten, wie Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Steinfliegen und Zuckmücken, aber auch Krebse, wie Bachflohkrebse oder Weichtiere, zum Beispiel Wasserschnecken und weitere Tiergruppen. Diese Kleinlebewesen (Makrozoobenthos), die den Gewässergrund zum Teil in sehr großer Zahl besiedeln, übernehmen in den Fließgewässern wichtige ökologische Aufgaben: Die Bachflohkrebse zerkleinern das im Herbst in die Bäche eingetragene Falllaub der Bäume und leiten damit die Zersetzung dieser Blätter ein. Andere Lebewesen weiden dagegen die Oberfläche von Kies und Steinen ab, und ernähren sich von dem auf den Steinen haftenden Algenaufwuchs. Weitere Arten der wirbellosen Fauna filtrieren das vorbei strömende Wasser, um sich von den mitgeführten  Algen und organischen Trübstoffen zu ernähren, und tragen somit neben den Mikroorganismen (Bakterien) zur Selbstreinigung des Wassers bei. Neben den Algen, die vom Wasser transportiert werden oder auf dem Gewässergrund siedeln, spielen in vielen Gewässern auch höhere Pflanzen eine bedeutende Rolle für den Naturhaushalt. Mit der Energie des Sonnenlichtes bilden sie organische Biomasse und stellen damit eine weitere Ernährungsgrundlage für die Tiere des Wassers dar. Höhere Pflanzen, zu denen in den Seen und Fließgewässern beispielsweise Laichkräuter und Hahnenfußgewächse zählen, können wichtige Hinweise auf eine stoffliche Belastung der Gewässer mit einem Übermaß an Nährstoffen geben, aber auch auf Störungen des Gewässerabflusses durch Wasserentnahmen oder eine Veränderung der natürlichen Gewässerstruktur, beispielsweise durch Vertiefung oder Begradigung eines Flusses. Neben den Fischen und Kleinlebewesen (Makrozoobenthos) werden daher auch Algen und höhere Wasserpflanzen in Nordrhein-Westfalen an vielen Stellen erfasst und ihr Vorkommen mit biologischen Bewertungsverfahren für die Einschätzung des guten ökologischen Zustands beurteilt. Aus allen Teilergebnissen wird schließlich der gute ökologische Zustand der Gewässer abgeleitet.
Die Wupper bei Solingen. Foto: Dr. Detlev Ingendahl

Die Wupper bei Solingen (Foto: Dr. Detlev Ingendahl)

Bestand vieler heimischer Fischarten gefährdet

Durch die dichte menschliche Besiedlung und starke Veränderung der Fließgewässer sind inzwischen viele Fischarten in ihrem natürlichen Bestand bedroht. Bereits 16 von 51 untersuchten heimischen Fischarten sind nach der der Roten Liste des Landes NRW gefährdet – das sind 31%. Zu den gefährdeten Fischarten gehören die Äsche, der Lachs aber auch der Aal, die Quappe, der Steinbeißer und viele weitere Arten. Mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie sind die Länder der Europäischen Union verpflichtet, die Fließgewässer und Seen bis zum Jahr 2027 wieder in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Er ist bei Fischen beispielsweise erreicht, wenn die natürlicherweise vorkommenden Fischarten durch eigene Vermehrung (wieder) einen dem jeweiligen Fließgewässer entsprechenden typischen Fischbestand bilden können. Dies trifft nach den aktuellen Bestandserhebungen des Landes nur für weniger als 20% der Fließgewässer zu. Bezieht man, wie in Nordrhein-Westfalen, neben Fischen auch Kleinlebewesen (Makrozoobenthos), Algen und höhere Wasserpflanzen in die Gesamtbewertung ein, so erreichen insgesamt sogar nur knapp 10% der Gewässer einen guten ökologischen Zustand. Das Land Nordrhein-Westfalen ergreift deshalb zahlreiche Maßnahmen für eine naturverträgliche Gewässerbewirtschaftung und Entwicklung. So werden im Rahmen des NRW-Programms „Lebendige Gewässer“ beispielsweise Fließgewässer renaturiert, Flüsse an Wehren wieder durchgängig gemacht und nicht mehr benötigte Querbauwerke wie Schwellen und Dämme zurückgebaut, um strömungsliebenden Fischarten, wie beispielsweise der Bachforelle, wieder Lebensraum zu geben. Ziel der Maßnahmen ist es dabei, insbesondere die natürliche Fließdynamik der Gewässer zu fördern. Wenn beispielsweise der nicht mehr benötigten Steinverbau der Ufersicherung entfernt wird, kann der Fluss eigenständig durch den Angriff des strömenden Wassers neue Lebensräume im Gewässer und der angrenzenden Aue für anspruchsvolle und seltene Fischarten schaffen.
Oberlauf der Rur. Foto: Dr. Detlev Ingendahl