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Umwelt. Naturschutz. Verkehr

Anlagensicherheit

Anlagensicherheit

Nordrhein-Westfalen hat eine hohe Bevölkerungsdichte und ein historisch gewachsenes Nebeneinander von Industrie und Wohnen. Für das Industrieland, in dem sich rund ein Viertel aller Industrieanlagen Deutschlands befinden, hat das Thema „Anlagensicherheit“ daher einen besonders hohen Stellenwert. Neben dem Schutz der Nachbarschaft dient Anlagensicherheit auch dem Schutz der Beschäftigten und der Gewährung eines störungsfreien Betriebs.

Anforderungen definiert die Störfallverordnung

Weil von bestimmten Industrieanlagen, in denen gefährliche Stoffe vorhanden sind, für die Beschäftigten und die Nachbarschaft eine Gefahr ausgehen kann, unterliegen solche Standorte besonderen Anforderungen. Sie sind in der so genannten Störfall-Verordnung geregelt. Daraus ergeben sich erhöhte technische und organisatorische Anforderungen an die Anlagen, die Genehmigungspraxis und die Überwachung. 2017 gab es in Nordrhein-Westfalen insgesamt 633 Betriebsstandorte, die in den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung fielen. Dominierend sind Unternehmen, die sich mit der Herstellung, Verarbeitung und Lagerung von chemischen Stoffen und Erzeugnissen befassen. Wenn Sie wissen wollen, ob es sich bei einem Unternehmen in Ihrer Nachbarschaft um ein Unternehmen im Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung handelt, so können Sie sich an die Bezirksregierung wenden, in deren regionalem Aufsichtsbezirk sich dieses Unternehmen befindet – oder Sie fragen direkt bei dem Unternehmen nach. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) veröffentlicht die Messwerte bei akuten Umweltschadensfällen wie "Rheinalarm" und sonstigen Störfällen in Nordrhein-Westfalen.

Rechtlicher Rahmen

Den umweltrechtlichen Rahmen für das Thema „Anlagensicherheit“ gibt das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in Verbindung mit der Störfall-Verordnung (StörfallVO) vor: Das BImSchG fordert von Anlagenbetreibern Maßnahmen zum Schutz und zur Vorsorge gegen Gefahren. Diese Verpflichtung wird durch die Störfall-Verordnung für gefahrenträchtige Industriestandorte konkretisiert. Als gefahrenträchtig gelten die Standorte, in denen die in der Störfall-Verordnung vorgegebenen Mengenschwellen für bestimmte Stoffe überschritten werden. Innerhalb der Verordnung wird noch einmal unterschieden zwischen Betrieben der unteren Klasse und Betrieben der oberen Klasse, die auf besonders gefahrenträchtige Standorte angewendet wird. Ziel ist es zunächst, Störfälle soweit wie möglich zu verhindern. Sollte es dennoch zu einem Störfall kommen, so müssen die Unfallfolgen für Mensch und Umwelt soweit wie möglich begrenzt werden. Die Störfall-Verordnung hat nicht nur einzelne Anlagen, sondern den gesamten Betriebsstandort mit allen genehmigungs- und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen im Blickfeld. Dieser Standort wird als „Betriebsbereich“ bezeichnet. Der Begriff wird in § 3 Abs. 5a Bundes-Immissionsschutzgesetz definiert. Kennzeichnend für einen Betriebsbereich ist, dass gefährliche Stoffe in bestimmten Mengen unter Aufsicht eines Betreibers in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen und Tätigkeiten tatsächlich vorhanden sind oder sein können. Für bestimmte Einrichtungen und Tätigkeiten sind allerdings Ausnahmen vom Anwendungsbereich vorgesehen. Im Wesentlichen:
  • die Beförderung und zeitlich begrenzte Zwischenlagerung gefährlicher Stoffe auf der Straße, der Schiene, den Wasserstraßen, dem See- oder Luftweg sowie ihre Beförderung in Rohrleitungen außerhalb von Betriebsbereichen,
  • militärische Einrichtungen,
  • Gefahren durch ionisierende Strahlen,
  • die Gewinnung von Mineralien im Bergbau, in Steinbrüchen oder durch Bohrung sowie
  • Abfalldeponien.
Zuständig für den Vollzug der Anforderungen in Bezug auf die Betriebsstandorte sind in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierungen mit dem NRW-Umweltministerium als oberster Landesbehörde. Bei ihren Überwachungsaufgaben werden die Bezirksregierungen vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) unterstützt. Im Arbeitsbereich Anlagensicherheit sind dort seit über 20 Jahren Fachleute unterschiedlicher Fachdisziplinen mit der Aufgabe betraut, die staatliche Umweltverwaltung in allen Fragen der Anlagensicherheit zu beraten und insbesondere Gutachten zu Sicherheitsberichten zu erstellen.
Rechtlicher Rahmen für die Sicherheit von Anlagen. Foto: Norbert Buch/ Panthermedia
Das Bundesimmissionsschutzrecht setzt den rechtlichen Rahmen für die Sicherheit von Anlagen. (Foto: Norbert Buch/ Panthermedia

Anforderungen an die Unternehmen (Betreiberpflichten)

Alle Betreiber von Betriebsbereichen sind verpflichtet, die Errichtung eines Betriebsbereichs, Änderungen sowie dessen Stilllegung bei der zuständigen Behörde mindestens einen Monat vorher anzuzeigen und bestimmte grundlegende Informationen zu übermitteln (unter anderem Standort, Tätigkeit/en, Angaben zum Betreiber, Art und Menge der gefährlichen Stoffe). Hierdurch soll die Überwachung in den Fällen erleichtert werden, in denen für die Anlagen in einem Betriebsbereich vor Errichtung beziehungsweise Änderungen kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungs- beziehungsweise Anzeigeverfahren vorgeschrieben ist. Zudem sind Anwohner und Öffentlichkeit über das richtige Verhalten im Gefahrenfall zu informieren. Alle Betreiber haben zunächst die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern. Hierzu zählen zum Beispiel die ausreichende Dimensionierung von Rohrleitungen und Behältern und die Ausrüstung mit betrieblichen Schutzeinrichtungen zur Begrenzung von Druck und Temperatur. Da hierdurch das Risiko eines Störfalls gesenkt, aber nicht völlig ausgeschlossen werden kann, müssen sie weiterhin Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten. Dies können Auffangeinrichtungen, Schutzzäune oder Wasserschleier sein. Außerdem müssen Beschaffenheit und Betrieb von Anlagen im Betriebsbereich dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechen. Benachbarte Betriebsbereiche können sich bei Unfällen gegenseitig beeinflussen und damit die Wahrscheinlichkeit von Störfällen oder das Schadensausmaß vergrößern. Betreiber von Betriebsbereichen, für die die Behörde eine derartige Gefahr festgestellt hat, sind zu einem ergänzenden Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr sowie der Information der Öffentlichkeit und der Behörden verpflichtet. Unternehmen der oberen Klasse haben darüber hinaus, einen internen Alarm- und Gefahrenabwehrplan zu erstellen und einen Sicherheitsbericht anzufertigen.
Chemieanlage. Foto: Christa Eder / Panthermedia

Chemische Anlagen unterliegen besonderen Betreiberpflichten. (Foto: Christa Eder/ Panthermedia

Störfall, meldepflichtiges Ereignis, Unfall

Die StörfallVO definiert die rechtlichen Kriterien, wann ein Unfall in einer Industrieanlage ein Störfall ist. Das bedeutet, Unfälle sind daraufhin zu prüfen, ob sie diese Kriterien erfüllen. Nur wenn die Kriterien der StörfallVO erfüllt sind, stellen sie einen Störfall im Rechtssinn dar. Nach den Begriffsbestimmungen in § 2 ist ein Störfall gegeben bei einem Ereignis, wie zum Beispiel einer Emission, einem Brand oder einer Explosion größeren Ausmaßes, das sich aus einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs in einem unter diese Verordnung fallenden Betriebsbereich oder in einer unter diese Verordnung fallenden Anlage ergibt, das unmittelbar oder später innerhalb oder außerhalb des Betriebsbereichs oder der Anlage zu einer ernsten Gefahr oder zu Sachschäden nach Anhang VI Teil 1 Ziffer I Nr. 4 führt und bei dem ein oder mehrere gefährliche Stoffe beteiligt sind. Eine Unterrichtungspflicht der zuständigen Überwachungsbehörde wird in der Störfallverordnung nicht nur für Störfälle gefordert, sondern darüber hinaus für weitere Ereignisse in Betriebsbereichen, die infolge einer Betriebsstörung auftreten können. Dazu werden in der Verordnung bestimmte Kriterien (I-III) beschrieben:
  • Kriterium I : beteiligter gefährlicher Stoff in wesentlicher Menge oder mit wesentlicher Auswirkung
  • Kriterium II: aus technischer Sicht bedeutsam
  • Kriterium III: beteiligter Stoff nach Anhang I der Störfall-Verordnung, Schäden sind eingetreten oder Gefahren waren nicht offensichtlich ausgeschlossen

Vollzug der Störfall-Verordnung in Nordrhein-Westfalen

Die Überwachung von Betriebsbereichen erfolgt in Nordrhein-Westfalen durch die Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster. Zum Vollzug der Störfall-Verordnung haben die Bezirksregierungen ein Überwachungssystem eingerichtet, mit dem sie sich vergewissern, dass
  • der Betreiber die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Störfällen ergriffen hat,
  • der Betreiber angemessene Mittel zur Begrenzung von Störfallauswirkungen (innerhalb/außerhalb seines Betriebsstandortes) vorgesehen hat,
  • die Angaben im Sicherheitsbericht zutreffend sind und
  • die erforderlichen Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.

Weitere Informationen:

Die Kommission für Anlagensicherheit (KAS)

Die beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gebildete Kommission für Anlagensicherheit (KAS) hat die Aufgabe, die Bundesregierung in Fragen der Anlagensicherheit zu beraten und dem Stand der Sicherheitstechnik entsprechende Regeln (sicherheitstechnische Regeln) vorzuschlagen. Sie führt insoweit die Arbeit ihrer Vorgängergremien – Störfallkommission (SFK) und Technischer Ausschuss für Anlagensicherheit (TAA) – fort. In der KAS sind unter anderem  Bundes- und Landesbehörden, die Wissenschaft, Umweltverbände, Gewerkschaften, Sachverständige und die Wirtschaft vertreten. Neben Vorschlägen für sicherheitstechnische Regeln erstellt die KAS auch andere Publikationen (Berichte, Merkblätter, Leitfäden), die als Erkenntnisquelle zur Auslegung und Anwendung der Störfall-Verordnung oder für andere Fragen der Anlagensicherheit herangezogen werden können.

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