
Wälder mit natürlicher Entwicklung
Unsere biologische Vielfalt ist akut gefährdet. Auch in Nordrhein-Westfalen bedarf es weiterer Anstrengungen, um eine nachhaltige Trendwende zu erreichen – das haben die aktuellen Roten Listen erneut gezeigt. Der Schutz der Natur ist daher ein zentrales Ziel der Landesregierung, das wir gemeinsam mit den vielen engagierten Menschen im Land verfolgen.
Wälder mit natürlicher Entwicklung in Nordrhein-Westfalen Heimat für Wildkatzen, Fledermäuse & Co. – Forschungs- und Naturerlebnisräume für die Menschen
Ein wichtiger Baustein sind dabei ungenutzte Wälder, die in ihre natürlichen Kreisläufe zurückfinden können (sogenannter Prozessschutz). Bäume können dort ihr natürliches Höchstalter erreichen und als Alt- und Totholz wertvollen Lebensraum für seltene und gefährdete Arten bieten. Werden Buchen im Wirtschaftswald in der Regel im Alter von 120 bis 150 Jahren entnommen und genutzt, können sie in Naturwäldern ein Alter von 350 Jahren und mehr erreichen. Viele Arten sind gerade auf solche Wälder und vielfältige Strukturen angewiesen. Schwarzspechte bauen bevorzugt in alten Buchen ihre Höhlen, die später auch von Hohltauben, Fledermäusen und Käuzen genutzt werden. Auch der seltene Hirschkäfer mit seinen geweihartigen Oberkiefern, der Urwaldrelikt-Käfer Eremit und Bockkäfer finden in alten Bäumen wertvollen Lebensraum. Zudem ziehen sich Wildkatzen bevorzugt in ungestörten Refugien von ungenutzten Wäldern zurück und ziehen dort gerne ihre Jungen groß.
Neben der großen Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt unterstützen Wälder mit natürlicher Entwicklung auch den natürlichen Klimaschutz und die Klimaanpassung, dienen der Forschung, fungieren als wichtige Referenzfläche in Zeiten des Klimawandels und ermöglichen zudem attraktive Naturerfahrungen. Durch den Nutzungsverzicht in Wäldern wächst die Biomasse und damit auch der Kohlenstoffspeicher. Untersuchungen haben gezeigt, dass Wälder bis in ein hohes Alter als Kohlenstoffspeicher fungieren können. Aufgrund der großen Bedeutung für die Biodiversität, den Klimaschutz sowie die Klimaanpassung unterstützt die Landesregierung die internationalen und nationalen Ziele der Wildnisentwicklung. Ziel ist es, dass Nordrhein-Westfalen einen angemessenen Beitrag leistet, um die heimischen Lebensräume mit ihrer gesamten Artenvielfalt zu schützen. Dabei trägt Nordrhein-Westfalen internationale Verantwortung, da beispielsweise Rotbuchen nur in Europa vorkommen und Deutschland im Zentrum ihrer natürlichen Verbreitung liegt.
Nationalpark Eifel
Wichtiges Herzstück der Wildnisentwicklung in Nordrhein-Westfalen ist der Nationalpark Eifel. Auf rund 110 Quadratkilometern beherbergt der Nationalpark Eifel mehr als 11.400 Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Unter dem Motto „Natur Natur sein lassen“ findet die Natur im Nationalpark nach und nach wieder in ihre eigenen Kreisläufe zurück. Ein gut beschildertes Wegenetz von insgesamt 240 Kilometern Länge macht den Nationalpark für Besucherinnen und Besucher erlebbar. Wer möchte, kann sich abwechslungsreichen Führungen anschließen, die Ausstellungen des Nationalparks besuchen und vielfältige Umweltbildungs- und Naturerlebnisangebote nutzen.
Insgesamt sind im Nationalpark Eifel gut 9.000 Hektar für eine natürliche Entwicklung gesichert. Wenn es erforderlich ist, können in einer Übergangszeit noch Maßnahmen zur Förderung der Naturnähe – wie die Pflanzung von heimischen Rotbuchen oder die Renaturierung von Gewässern – durchgeführt werden. Die übrigen Flächen gehören zu der Pflegezone, in denen ein dauerhaftes Management zum Beispiel zum Erhalt wertvoller Offenland-Lebensräume möglich ist.
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Naturschutzgebiete mit der Zielsetzung „Wildnisentwicklung“ (Wildnisentwicklungsgebiete gemäß § 40 Landesnaturschutzgesetz)
Neben Nationalparken mit ihren mehreren Tausend Hektar Fläche haben auch kleinere Wildnisgebiete bereits eine große Bedeutung für die biologische Vielfalt. Während die übrigen Lebensräume von Nutzungen geprägt sind, ermöglichen sie die Ausbildung von Wäldern mit natürlicher Entwicklung mit einem Nebeneinander unterschiedlich alter Bäume und Strukturen. So bilden auch kleine Areale wichtige Trittsteine im Wildnis-Netz.
Zum Schutz und zur Entwicklung alt- und totholzreicher Wälder mit natürlicher Entwicklung sieht das Landesnaturschutzgesetz Wildnisentwicklungsgebiete vor. Sofern sich diese Flächen nicht im Staatswald befinden, setzt die Ausweisung als Wildnisentwicklungsgebiet die ausdrückliche Zustimmung des Grundeigentümers oder der Grundeigentümerin voraus. Wildnisentwicklungsgebiete sollen insbesondere den an die Alters- und Zerfallsphase gebundenen Pflanzen- und Tierarten einen geeigneten Lebensraum bieten. Möglich sind im Einzelfall weiterhin Maßnahmen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich sind, die Entnahme nicht lebensraumtypischer Gehölze sowie die Saatgutgewinnung.
In einer ersten Tranche hat das Land Nordrhein-Westfalen bis 2020 landesweit 108 Wildnisentwicklungsgebiete ausgewiesen. Diese haben eine Fläche von insgesamt rund 7.900 Hektar. Wildnisentwicklungsgebiete sind mit der Zielsetzung „Wildnisentwicklung“ als Naturschutzgebiete gesetzlich geschützt.
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Naturwaldzellen
Schon in den 1970er Jahren begann in Nordrhein-Westfalen die Ausweisung von Naturwaldzellen. Sie sind im Landesforstgesetz rechtlich verankert. In den Naturwaldzellen ist eine forstliche Bewirtschaftung dauerhaft ausgeschlossen, um die natürliche Entwicklung von Waldökosystemen forstwissenschaftlich zu beobachten und daraus Handlungsempfehlungen für die naturnahe Bewirtschaftung zu geben.
Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalen 75 Naturwaldzellen mit einer Fläche von etwa 1.694 Hektar.
Private / Kommunale Wildnis-Initiativen
Auch private und kommunale Flächeneigentümerinnen und Eigentümer engagieren sich für den Schutz alter Wälder und die Entwicklung von Naturwäldern.
Seit 2010 besteht im Siebengebirge ein 544 Hektar großes Wildnisgebiet im Besitz des Verschönerungsvereins Siebengebirge, das vertraglich mit dem Land gesichert ist. Auch das von einem privaten Waldbesitzer gestiftete Wildnisgebiet "Heiligenborner Wildnis" im Kreis Siegen-Wittgenstein (etwa 340 ha) wurde im Jahr 2014 vertraglich gesichert.
Für freiwillige Wildnis-Initiativen auf privaten und kommunalen Flächen bietet das neue Förderprogramm KlimaWildnis des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundes neue Unterstützungsangebote.
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Übersicht der für eine natürliche Waldentwicklung gesicherten Flächen
Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 beinhaltet das Ziel, auf zwei Prozent der Landesfläche in Deutschland Wildnis zu ermöglichen. Bis 2030 soll der Flächenanteil der Wälder mit natürlicher Waldentwicklung zudem mindestens 5 Prozent der Waldfläche Deutschlands bzw. 10 Prozent der Waldfläche im öffentlichen Eigentum betragen. Auch das Land Nordrhein-Westfalen hat in der Biodiversitätsstrategie NRW das Ziel verankert, auf 5 Prozent der Waldfläche eine natürliche Entwicklung zu ermöglichen.
Aufgrund des hohen Privatwald-Anteils in Nordrhein-Westfalen kommt den öffentlichen Flächen eine besondere Bedeutung bei der Erfüllung dieser Ziele zu. Derzeit sind in Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 19.400 Hektar für eine natürliche Waldentwicklung gesichert. Teilweise finden in diesen noch in einer Übergangszeit Entwicklungs- und Renaturierungsmaßnahmen zur Förderung der Naturnähe statt, bevor sie anschließend in den Prozessschutz überführt werden.
Die Flächen der Zone IA im Nationalpark Eifel (Waldentwicklungsmaßnahmen mit Holzentnahmen abgeschlossen), der 108 Wildnisentwicklungsgebiete gemäß § 40 LNatSchG, der 75 Naturwaldzellen und zwei privaten Wildnis-Initiativen umfassen zusammen rund 15.700 Hektar. Das entspricht rund 1,65 Prozent der Waldfläche in Nordrhein-Westfalen (rund 2 % inklusive der Naturdynamik-Entwicklungszonen IB und IC im Nationalpark Eifel). Rund 15.800 Hektar der für eine natürliche Waldentwicklung gesicherten Flächen befinden sich im Landeseigentum, das entspricht rund 12,4 Prozent des Landeswaldes. Bezogen auf öffentliche Wälder (Land, Bund, Kommunen/Körperschaften) nehmen die für eine natürliche Waldentwicklung gesicherten Flächen rund 5,2 Prozent ein.
Aufgrund ihrer großen Bedeutung für die biologische Vielfalt, für den Klimaschutz und Klimaanpassung, aber auch für das Naturerleben und für die Umweltbildung, setzt sich das Land für weitere Flächen mit natürlicher Entwicklung ein und prüft entsprechende Möglichkeiten.